OER verändern und richtig lizenzieren

Open Educational Resources lassen sich ohne Einschränkung teilen und bearbeiten. Das führt zu der Frage, was im Kontext von OER als „Bearbeitung“ gilt und welche rechtlichen Folgen sie auslöst. Der Beitrag erklärt die wichtigsten Punkte rund um Bearbeitungen in Bezug auf das Urheberrecht und OER.

OER verändern – wie lizenzieren?, Grafik: Angela Karnoll, CC BY 4.0

Ein Beitrag von Fabian Rack

Bei OER sind Bearbeitungen regelmäßig erlaubt

Nach einer Definition von Open Educational Resources darf die Allgemeinheit OER nicht nur kostenlos nutzen, sondern auch bearbeiten. Hierfür sorgen offene Lizenzen, mit denen Lernmaterialien zu OER werden (meist Creative Commons-Lizenzen). Offene Lizenzen erlauben es, von anderen Personen erstellte OER nicht nur weiterzugeben, sondern auch zu übersetzen, anzureichern oder zu kürzen und das Ergebnis öffentlich zu teilen. Der „Remix“ von OER ist kein Sonderfall, sondern genau das, was mit „open“ gemeint und gewünscht ist. Dies ist auch der Grund, warum Lizenzen mit Bearbeitungsverbot (ND-Bedingung, „No Derivatives“) nicht als „open“ im Sinne von OER angesehen werden.

Bei nicht frei lizenzierten Materialien („Alle Rechte vorbehalten“) dürfen Bearbeitungen von Werken (bis auf wenige Ausnahmen, etwa die Verfilmung eines Romans) zwar für die eigene Nutzung im Privaten hergestellt werden – aber man muss um Erlaubnis fragen, wenn man das Ergebnis teilen will. Wer zum Beispiel einen fremden Text aus einem Nicht-OER-Schulbuch aus dem Fach Geschichte übersetzt, darf diese Übersetzung nicht in eigene OER einbauen.

Freie Fakten und geschützte Darstellung

Doch was ist eine Bearbeitung, was nicht? Allgemein gesagt versteht das Urheberrecht unter einer Bearbeitung eine Änderung eines Fremdwerks oder eine Übernahme charakteristischer Elemente daraus. Eine „unfreie Bearbeitung“ liegt etwa dann vor, wenn man das Motiv einer fremden, künstlerisch in Szene gesetzten Fotografie mit Öl auf Leinwand nachmalt. Dient hingegen das fremde Motiv nur als Anregung für etwas Eigenständiges, ist dies eine freie Inspiration.

Bei der Erstellung von Lerninhalten geht es meist weniger um künstlerischen Ausdruck als um die Beschreibung von Tatsachen und Erkenntnissen. Und derer darf man sich frei bedienen. Denn Naturgesetze, mathematische Formeln, sprachliche Regeln, Fakten und Informationen usw. sind frei von Urheberrechten. Jeder darf sie in Lehrmaterialien darstellen und erläutern, ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen. Erst die Darstellung als solche, also zum Beispiel ein Text über eine Rechenregel, ist ein Werk, das urheberrechtlich geschützt sein kann. In einem Fallbeispiel heißt das: Paraphrasiert eine Lehrerin fremde Lernmaterialien mit physikalischen Phänomenen und Lehren, weil sie es selbst treffender beschreiben oder aufschlussreicher illustrieren kann als die Lernmaterialien, so ist dies ein freier Vorgang.

Beispiele für Bearbeitungen

Typische Fälle von Bearbeitungen sind beispielsweise:

  • Eine Übersetzung von Texten in eine andere Sprache;
  • das Kürzen oder Anreichern fremder Texte (nicht aber eine reine Wiedergabe des Textinhalts, weil dies wiederum eine Darstellung von Fakten ist);
  • eine Kolorierung von Schwarzweiß-Bildern.

Nicht von einer urheberrechtlich relevanten Bearbeitung auszugehen ist in folgenden Fällen:

  • Das Verändern von gemeinfreien Werken, deren Urheberrechte abgelaufen sind;
  • technische Formatänderungen von OER, also zum Beispiel ein JPEG-Bild in eine PNG-File oder eine WAV-Tondatei in ein MP3 umzuwandeln; ebenso das Ändern von Auflösung in Bild oder Ton;
  • das Zusammenstellen oder Aneinanderreihen von Materialien, zum Beispiel ein Band mit mehreren Texten oder ein Bild auf einer Webseite, das in einen Text eingebaut ist. Vorsicht allerdings: Werke zu vermischen ist eine Bearbeitung, etwa wenn man einzelne Bildausschnitte oder Textteile zu einem neuen Text zusammenfügt (Remix, Mash-up, Collagen).

Es gibt noch weitere Grenzfälle. Nennenswert ist hier das leichte Zuschneiden („cropping“) von Bildern. Gerade bei künstlerischen Bildmotiven oder Gestaltungen ist davon auszugehen, dass bereits ein leichtes Cropping eine Bearbeitung darstellt. Bei OER sind derlei Veränderungen wiederum zulässig – sie müssen nur gekennzeichnet werden (siehe im Folgenden).

 

Welche Lizenzpflichten eine Bearbeitung bei OER auslöst

Dass bei OER Bearbeitungen erlaubt sind, befreit nicht von der Pflicht, den Lizenzhinweis korrekt anzubringen. Wichtig hierbei: Veränderungen sind gemäß CC-Lizenzen gesondert zu kennzeichnen. Ein paar Beispiele veranschaulichen dies:

„Text [verlinkt] von Lehrer X. Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche von Lehrerin Y. Lizenziert unter CC BY-SA 4.0.“ (Wegen „Share Alike“, kurz SA, ist es hier Pflicht, die Übersetzung ebenfalls unter CC-Lizenz zu teilen.)

Oder:

„Bild xy [verlinkt] von Lehrer A, lizenziert unter CC BY-SA 4.0. Leicht zugeschnitten.“

Lässt man sich hingegen bloß inspirieren oder stellt eigenständig Fakten aus anderen OER dar (siehe oben), entsteht ein unabhängiges, eigenständiges Werk. Es müssen also keine Lizenzpflichten eingehalten und keine Lizenzhinweise übernommen werden.

Sofern OER unter CC0 freigegeben sind, muss man übrigens beim Verändern weder etwas beachten noch angeben; um dafür zu sorgen, dass die Bearbeitung ihrerseits zu OER wird, gibt man sie per CC BY, CC BY-SA oder CC0 frei.

Fazit

Bearbeitungen von OER dürfen unter Achtung der Lizenzpflichten geteilt werden. Fremde Materialien (oder sonstige Werke) zur Anregung von etwas Eigenem zu nutzen, ist immer erlaubt und keine Bearbeitung.

 

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Fabian Rack, iRights für OERinfo

OER & Recht: Der Rechtslotse OER-Produktion der HOOU

Das H5P-basierte Tool „OER & Recht. Rechtslotse OER-Produktion“ sensibilisiert für rechtlich relevante Aspekte bei der Produktion und Veröffentlichung von OER-Materialien. Es leitet Nutzende durch wichtige Rechtsfragen, die im Zuge der Erstellung von OER aufkommen können und gibt zielgerichtet rechtliche Hilfestellung. Möchten Nutzende ihr Wissen zu einer bestimmten Frage vertiefen, können sie optional die jeweils verlinkten Informationen nachlesen und ihre OER bei Bedarf nachjustieren.

OER & Recht
Das Tool „OER & Recht. Rechtslotse OER-Produktion“ als Map. Grafik: Tomke Berning, CC BY 4.0

Ein Beitrag von Andrea Schlotfeldt für die Hamburg Open Online University

Niemand hat das Rechtliche mit der Muttermilch aufgesogen

Möchte man Lehrende motivieren, ihre Lehrmaterialien als OER zu veröffentlichen, damit möglichst viele davon profitieren können, begegnen einem nicht selten rechtliche Bedenken ihrerseits. Man habe keine Zeit, sich in Rechtsthemen einzuarbeiten oder an der eigenen Einrichtung gebe es keine Ressourcen für Rechtsberatung. Und das mit der CC-Lizenzierung sei auch nicht so trivial, wie manche es darstellten.

Unbestreitbar ist: Die Einwände sind vollkommen berechtigt. Auch wenn die rechtliche Komplexität einzelner OER sehr unterschiedlich ausfallen kann, bedarf es einer gewissen Einarbeitung in die CC-Lizenzierung und rechtliche Fragestellungen. Darf ich in OER regulär zitieren? Wie muss eine Foto-Einwilligung ausgestaltet sein, damit sie den OER-Besonderheiten entspricht? Manchmal weiß man tatsächlich gar nicht so genau, wo rechtliche Risiken überhaupt liegen könnten.

Niederschwellige Unterstützung bei Rechtsfragen

Diese Situation greift der H5P-basierte „Rechtslotse OER-Produktion“ der Hamburg Open Online University niederschwellig auf. Anhand eines sog. Branching Szenarios lässt sich ohne hohen Zeitaufwand herausfinden, inwieweit geplante oder bereits umgesetzte OER Rechtsthemen tangieren und was bei der CC-Lizenzierung zu berücksichtigen ist.

Bestimmte Fragestellungen führen die Nutzenden durch das Tool. Der Informationsstand, der Grad der Sensibilisierung und auch die Bereitschaft, sich in Rechtsthemen einzuarbeiten, können stark variieren. Hinzu kommt, dass OER in rechtlicher Hinsicht unterschiedlich komplex ausfallen. Hier setzt der Rechtslotse an: Die Nutzenden werden dort abgeholt, wo sie mit ihren Kenntnissen stehen. Sie können für sich entscheiden, an welchen Punkten sie in die Tiefe gehen möchten. Dies kann Fragen der Miturheberschaft, der Nutzung fremden Materials in OER, der Vergabe der passenden CC-Lizenz oder auch Datenschutzaspekte betreffen. Anhand zahlreicher geprüfter Links lässt sich das eigene Wissen so an Stellen, bei denen Bedarf besteht, vertiefen.

Rechtliche Sensibilisierung 24/7

In Zeiten knapper Zeitressourcen allerorten ist es nicht trivial, Lehrende angemessen mit Rechtsinfos zu versorgen, ohne sie gleichzeitig mit juristischen Feinheiten zu überfrachten. Der Rechtslotse sensibilisiert unabhängig von der Verfügbarkeit oder Erreichbarkeit juristischen Fachpersonals zu jeder Tag- und Nachtzeit für Rechtsthemen. Der Aufwand beträgt schätzungsweise ca. 30 Minuten.

Das Tool kann eine ggf. erforderliche Rechtsberatung nicht ersetzen, aber durchaus zu vielen Fragestellungen eine fundierte Orientierung geben. Ergänzend helfen die Teilnahme an Rechtsworkshops oder -sprechstunden, wie etwa die HOOU aber auch twillo, ORCA.nrw und andere sie anbieten, oder auch die Plattform OER FAQ weiter.

Interaktive Inhalte einfach mit H5P erstellen

Wunderbar funktioniert hat die Zusammenarbeit bei der Konzeption und Umsetzung des Tools. Nach einer Grobkonzeption zu den relevanten rechtlichen Fragen durch die Juristin Andrea Schlotfeldt kam die Grundidee des Medientechniker und -didaktikers Jakob Kopczynski, das Ganze mit dem H5P-Branching Szenario umzusetzen – was dann wiederum in Teamarbeit erfolgte.

Die Tatsache, dass H5P in Unterricht und Lehre generell, auch aufgrund der Niederschwelligkeit der Anwendung, gern eingesetzt wird, ist kein Geheimnis. Speziell das sog. Branching Szenario ist allerdings hervorragend geeignet für Anwendungsfälle wie den vorliegenden. H5P selbst schreibt zu diesem Content Type: „Das Verzweigungsszenario ist ein flexibler Inhaltstyp, der es den Autor*innen  ermöglicht, den Lernenden eine Vielzahl von interaktiven Inhalten und Auswahlmöglichkeiten zu präsentieren.“

Rechtslotse OER-Produktion bereits an vielen Stellen nachgenutzt

Erfreulich war für uns als Ersteller*innen, dass eine rege Nachnutzung stattfindet. So ist der Rechtslotse inzwischen auf diversen Hochschulwebsites und OER-Plattformen eingebettet. Für die im Dezember aktualisierte Version V2/2023 wurden alle Links auf Aktualität überprüft und noch zwei Slides zu KI & OER hinzugefügt. Das Tool kann bei Bedarf hier heruntergeladen, ganz im Sinne des Remixes von OER bei Bedarf auch um weitere Themen ergänzt und/oder anders gestaltet und dann neu veröffentlicht werden.

 

Informationen zum Tool:
H5P-Branching-Szenario “OER & Recht. Rechtslotse OER-Produktion“, CC BY 4.0 (V2/2023)
Idee und Umsetzung:
Andrea Schlotfeldt (Juristische Beratung/Team HOOU@HAW)
Jakob Kopczynski (Medientechnik/-produktion/Team HOOU@HAW)

 

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Andrea Schlotfeldt, Hamburg Open Online University (HOOU) | HAW Hamburg für OERinfo

OER und das ND-Modul „Keine Bearbeitung“ 

Eine der Lizenzkategorien bei Creative Commons sind Lizenzen mit ND-Modul. Hiernach dürfen Personen das lizenzierte Material nur in unveränderter Form verwenden und vor allem teilen. Für OER sind CC-Lizenzen mit ND-Modul ungeeignet. Warum das so ist und wie sich übliche Bedenken gegenüber ND entkräften lassen, erklärt der folgende Text.

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OER, generative KI und fremde Werke

Im letzten Monat haben wir darüber berichtet, wie OER mit KI-Inhalten am besten zu lizenzieren sind.  Zwei weitere Fragen im Kontext von KI und OER werden derzeit häufig gestellt: Können KI-Systeme auf OER zurückgreifen, um ihre Modelle zu trainieren? Und: Darf ich beim Einsatz von KI-Generatoren wie ChatGPT, DALL-E oder DiffusionBee fremde Inhalte zum Prompten verwenden?

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Praxis-Workshop zu OER-Rechtsfragen

Möchte man eigene Werke als Open Educational Resources veröffentlichen, bedeutet dies nicht, dass man auf die Einbindung fremder Inhalte verzichten muss. Doch was ist hierbei aus rechtlicher Perspektive zu beachten? Welche Regeln gelten für die Einbindung fremder OER oder deren Vermischung mit eigenen Inhalten? Wie beeinflusst die Einbindung die eigene Lizenzwahl? Und wie verhält es sich bei Materialien, die nicht offen lizenziert sind?

In diesem Rechtsfragen-Workshop erfahren Sie, wie die rechtskonforme Erstellung und Nutzung von OER in der Praxis funktioniert. Ein besonderes Augenmerkt liegt auf der Frage, wie Fremdmaterialien – im Einklang mit dem Urheberrecht – in eigenen OER genutzt werden können. Hierfür werden typische Anwendungsszenarien der Einbindung fremder Inhalte (z.B. Videos, Bilder, Grafiken, Texte) in eigene Werke durchgespielt.

Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten.

Fortbildung: Urheberrecht und Creative Commons

Welche Bilder und Texte aus dem Internet kann ich verwenden? Welche Materialien sind urheberrechtlich geschützt? Was sind OER und Creative Commons? Wie und wo finde ich freie Unterrichtsmaterialien im Internet? Wie lizenziere ich meine eigenen Materialien, wenn ich diese tauschen möchte?

All diese Fragen klärt Medientrainerin Nina Leidinger in der Kurzfortbildung von Erasmus+ Schule.

Inhalte:

– Urheberrecht

– Open Educational Resources

– Creative Commons – Lizenzen und selbst lizenzieren

– Quellen für freie Unterrichtsmaterialien im Netz

Ziele:

– Finden und Verwenden von freien Unterrichtsmaterialien

– Die passende Lizenzierung für eigene Materialien finden

 

Anmeldeschluss: Do, 09. November 2023

Wie sich CC-Lizenzen zum Urheberrecht verhalten

Ein Einwand, der im Kontext von Open Educational Resources (OER) und Creative-Commons-Lizenzen (CC) gelegentlich vorgebracht wird, lautet sinngemäß: „Ich möchte mein Urheberrecht nicht verlieren, deshalb kommen CC-Lizenzen für mich nicht in Frage.“ – Der Gegensatz von Urheberrecht und CC-Lizenz, der in diesem Einwand aufscheint, ist jedoch so nicht zutreffend.
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KI und OER: Wie gut passen sie zusammen?

KI-Technologien laden dazu ein, wie durch Zauberhand neue Texte, Bilder oder Musik generieren zu lassen. Unter bestimmten Umständen eignen sich KI-Schöpfungen gut als OER. Doch die Entwicklung ist dynamisch. Nicht auf alle urheberrechtlichen Fragen gibt es derzeit Antworten.
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OER in der Hochschullehre: Merkmale und Mehrwerte (Basis-WS)

Das Erstellen, Teilen und Nutzen von OER auf Hochschulebene ist noch verhalten. Gründe hierfür liegen u. a. in individuellen Unsicherheiten bezüglich rechtlicher, technischer oder auch didaktischer Fragen.

In dieser Online-Veranstaltung lernen Sie die Merkmale offener Bildungsmaterialien kennen und reflektieren deren Chancen und Herausforderungen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Urheberrecht und der offenen Lizenzierung. In interaktiven Übungen erfahren Sie, wie Sie offen lizenzierte Bildungsmaterialien in Ihre Lehre einbinden können und was bei der Erstellung eigener OER zu beachten ist. Gemeinsam nehmen wir didaktische Fragen rund um OER in den Blick und diskutieren Qualitätsdimensionen offener Bildungsmaterialien