Mit OER lernen

Lernen mit OER bringt viele Vorteile: Kostenersparnis, Chancen auf Bildungserfolg, Kontrolle und Autonomie über den eigenen Lernweg, qualitative Lernmaterialien und die Möglichkeit, Fähigkeiten für das lebenslange Lernen zu erwerben.

Was müssen Sie dafür tun? Offen sein, Lust darauf haben, ihre digitale Skills und -kompetenzen zu vertiefen und das Ziel verfolgen, das eigene Lernen aktiv mitzugestalten. Damit Lernen mit OER auch gelingt, haben wir für Sie fünf Tipps zusammengestellt.

Offene Bildungsmaterialien sind in der Regel kostenlos – in ihnen schlummert also das Potenzial, Bildungsausgaben zu senken. Als erstes denkt man dabei an Schulbücher, für die je nach Bundesland Eltern bis zu 100 EURO pro Schuljahr aufbringen müssen. Gerade einkommensschwache Haushalte werden dadurch besonders belastet – mit möglichen Folgen für die Bildung der Kinder. So könnte die Bereitschaft sinken, eine längere Schulausbildung zu finanzieren. Konzepte für staatlich zugelassene, offene Schulbücher existieren bereits (Heimstädt, Dobusch 2017, S. 46 f.). Für ihre Umsetzung müsste die Erstellung von OER finanziell gefördert werden. Dass dies funktioniert, zeigt Norwegen: Dort fließen 20 % der staatlichen Ausgaben für Lehrmittel in die OER-Entwicklung (Müller 2019, S. 8).

Alle haben gleiche Chancen auf Bildung

Im Hochschulbereich geben Studierende 20 EURO pro Monat für Lernmaterial aus, wobei hier deutliche Unterschiede zwischen hoher (24 EURO) und niedriger Bildungsherkunft (17 EURO) der Studierenden erkennbar sind. Dass kostenfreie OER besonders Studierende entlasten, die ihr Studium mit staatlicher Unterstützung bestreiten oder selbst zum Teil finanzieren müssen, zeigen Studien aus den USA. Dort müssen Studierende weitaus mehr für klassische Textbücher ausgeben als hierzulande. Aber wenn durch OER Kosten gespart werden, steigen die Chancen, die Studienzeit zu verkürzen und das Studium tatsächlich abzuschließen (vgl. Colvard; Watson; Park 2018, S. 269 f.).

Das Lernmaterial ist wertvoll

Mit OER-Lernmaterialien lässt sich ebenfalls erfolgreich studieren. So weisen zahlreiche, US-amerikanische Studien nach, dass in Kursen, in denen OER-Bücher zum Einsatz kommen, die Studierenden bei den Prüfungen genauso gut abschneiden wie die Studierenden, die mit klassischen Kursbüchern lernen. OER haben auch bei den Lerner*innen einen guten Ruf, teils empfinden sie das freie Material hochwertiger als verlagsveröffentliches Material (vgl. Colvard, Watson, Park 2018, S. 263). Dass auch klassische Schulbücher nicht unfehlbar sind, zeigte der Schulbuchtest von der Stiftung Warentest 2007: Die Tester merkten zahlreihe inhaltliche Fehler in Geschichts- und Biologiebücher an.

Jeder kann das eigene Lernen frei gestalten  

YouTube hat sich zur Lernplattform Nummer eins entwickelt. Lerner*innen nutzen sie, um Themen aus dem Unterricht nachzuarbeiten, Wissenslücken zu schließen oder sich auf Prüfungen vorzubereiten. YouTube-Inhalte sind nicht zwangsläufig OER, da viele Videos nicht unter offenen Lizenzen stehen und auch nicht zur Weiterbearbeitung gedacht sind. An der Beliebtheit der Plattform für Lernzwecke lässt sich aber ablesen, dass zusätzliche Lernmaterialien, die einfach zugänglich sind, einen festen Platz im Lernalltag haben. Grund dafür ist, dass sie es Lerner*innen ermöglichen, das eigene Lernen individuell zu gestalten und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. OER, die sich explizit zur Wiederverwendung und zum Remixen verstehen, sind umso mehr geeignet, diesen Bedarf abzudecken.

Lernen zu lernen fürs lebenslange Lernen

Wissen, wie man lernt, ist eine Vorbedingung für die Nutzung von OER, gleichzeitig ist es auch Ergebnis des Lernens mit OER (vgl. Fanger 90) – gerade wenn es um die Produktion von eigenen Materialien geht. Wer offene Lernmaterialien erstellt, lernt ein eigenes Thema zu finden, es zu recherchieren, die Ergebnisse kritisch zu beleuchten, das Thema für die Vermittlung in einzelne Schritte herunterzubrechen, sich ein Lerndesign zu überlegen und vor allem digitale Services und Tools zu nutzen (vgl. Marquardson, Schuetzler 2019, S. 13). Dieses Wissen bietet die beste Voraussetzung für das lebenslange Lernen, das im Zeitalter des stetigen digitalen Wandels unabdingbar ist.

Fünf Tipps um mit OER besser zu lernen

  1. Eignen Sie sich Fähigkeiten für das Lernen in der digitalen Welt an

Wenn Sie mit OER lernen möchten, dann sollten Sie sich Digitalkompetenzen aneignen. Insbesondere Rechercheskills sind gefragt, damit Sie OER auch finden können. Insbesonders sollten Sie sich überlegen, mit welchen Suchbegriffen Sie Lernmaterialien finden, die Ihnen weiterhelfen. Machen Sie sich auch mit OER-Materialplattformen vertraut und finden Sie heraus, mit welchen Suchmaschinen Sie speziell nach lizenzfreien Materialien suchen können. Wenn Sie selbst OER selbst herstellen und mit anderen Lerner*innen teilen möchten, sollten Sie wissen, wie freie Lizenzen funktionieren. Zudem ist es hilfreich, einige Softwareprogramme bedienen zu können, mit denen sich einfach Lernmaterialien produzieren lassen.

  1. Lernen Sie sich als Lerner kennen

Um mit OER, aber auch mit anderen Selbstlernmaterialien, gut zu lernen, sollte man sich als Lerner*in gut kennen: Was kann ich? Was weiß ich? Welche Lücken habe ich? Wie lerne ich am besten? Welche Materialien brauche ich für meine Fragen? OER-Plattformen geben hier Hilfestellung. Viele achten nicht nur auf eine korrekte Lizensierung, sondern prüfen auch, ob die dargebotenen Materialien inhaltlich korrekt sind und didaktisch angemessen aufbereitet wurden. Manche ermöglichen es sogar mit Filtern, Materialien für die eigenen Lernziele zu finden.  

  1. Seien Sie neugierig

Ein Faktor, um mit OER erfolgreich zu lernen, ist eine positive Einstellung (vgl. Afolabi 2017, S. 123).  Wer schon mit Zweifeln an das Lernen mit OER herangeht, der lernt tatsächlich weniger gut mit OER als Lerner*innen, die sich auf OER unvoreingenommen einlassen. Vielleicht möchten Sie sich im Vorfeld über offene Bildung informieren? Oder wissen, warum Sie offenen Bildungsmaterialien Vertrauen schenken können? Oder möchten Sie sich durch die guten Erfahrungen anderer von OER überzeugen lassen?

  1. Genießen Sie Ihre aktive Rolle

Beim Lernen mit OER gestalten Sie Ihre eigenen Lernprozesse mit. Diese Verantwortung kann eine Bereicherung, aber auch eine Belastung sein. Plötzlich gibt es keine klaren Instruktionen mehr, den man lediglich folgen muss, sondern Sie dürfen sich den eigenen Lernweg selbst erarbeiten. Unterrichtsstunden sind nicht mehr klar strukturiert, sondern laufen freier ab. Die Lehrkraft ist nicht mehr Gravitationszentrum des Unterrichts, sondern begleitet lediglich die Lernprozesse als Coach und Moderator. Lassen Sie sich nicht verunsichern und ziehen Sie Stärke aus dem Rollenwandel.

  1. Suchen Sie sich Mitstreiter*innen

Zentral für das Lernen mit OER sind die Kommunikation und der Austausch mit Gleichgesinnten. Denn offene Bildungspraktiken setzen auf Schwarmintelligenz statt Einzelkämpfertum. Arbeiten Sie gemeinsam offene Kurse durch, tauschen Sie sich über Lernfortschritte in Foren aus, taggen Sie gutes Material für andere Lernende. Dadurch kann sich ein Gefühl von Empowerment einstellen, wie die Teilnehmerinnen an der Open University Singapore zeigen, die alle als Hausangestellte arbeiten. Neben der Flexibilität, die das mobile Lernen ihnen bietet, hat gerade der Austausch mit anderen Lernenden sie darin bestärkt, aktiv durch Bildung ihren sozialen Status verändern zu können. (Chib, Bentley, Wardoyo 2019, S. 57f).

verwendete Literatur

Afolabi, Folashade: First Year Learning Experiences of University Undergraduates in the Use of Open Educational Resources in Online Learning. In: International Review of Research in Open and Distributed Learning, 18 (2017) 7, S.112-125.

Chib, Arul; Bentley, Caitlin; Wardoyo, Reidinar-Juliane: Distributed Digital Contexts and Learning: Personal Empowerment and Social Transformation in Marginalized Populations. In: Education Research Journal, 27 (2019) 58, S. 51-60.

Colvard, Nicholas B.; Watson, C. Edward; Park, Hyojin: The Impact of Open Educational Resources on Various Student Success Metrics. In: International Journal of Teaching and Learning in Higher Education, 30 (2018) 2, S.262-276.

Fanger, Constanze: Verstehen, Transdisziplinarität und implizites Wissen: Die Herausforderung durch Freie Bildungsmedien und Digitale Archive. –  Aus:  Missomelius, Petra (Hrsg.):  Freie Bildungsmedien und digitale Archive. Medien – Wissen – Bildung.  Innsbruck: Innsbruck Univ. Press (2014), S. 89-103.

Heimstädt, Maximilian; Dobusch, Leonhard: Perspektiven von Open Educational Resources (OER) für die (sozio-)ökonomische Bildung an Schulen in NRW und in Deutschland. Düsseldorf: FGW – Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung e.V. 2017.

Marquardson, Jim; Schuetzler, Ryan M.: Teaching Tip: Learning by Teaching through Collaborative Tutorial Creation: Experience Using GitHub and AsciiDoc. In: Journal of Information Systems Education, 30 (2019) 1, S.10-18.

Müller, Frank J.: Chancen und Herausforderungen staatlich finanzierter, frei verfügbarer Bildungsmaterialien (OER) am Beispiel der Plattform ndla.no in Norwegen. Ein Weg zu mehr Inklusion? Hamburg : Verlag ZLL21 e.V. 2019.

 

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