Die Richtlinie zur Förderung von Offenen Bildungsmaterialien (Open Educational Resources – OERinfo) unterstützt Maßnahmen zur Sichtbarmachung der mit OER verbundenen Potenziale um OER in allen Bildungsbereichen voranzutreiben.
Die genannte Förderrichtlinie leistet hierdurch einen Beitrag zur Umsetzung des Förderprogramms "Digitale Medien in der beruflichen Bildung" und zur Digitalen Agenda der Bundesregierung.
Offene Bildungsmaterialien reihen sich ein in die Bewegungen des Open Source und Open Access und stehen in direktem Zusammenhang mit dem übergeordneten Begriff der Open Education. Geboren wurde der Begriff OER bereits 2002, als das Massachusetts Institute of Technology damit begann, Lehr- und Lerninhalte unter einer freien Lizenz der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Neben den politischen Akteuren, die den Begriff der OER auf internationaler Ebene in den Gremien der UNESCO geprägt haben, wurde das Feld weitgehend von der William and Flora Hewlett Foundation geprägt. Ein weiterer wichtiger Akteur auf dem Gebiet von OER in der Berufsbildung ist das Commonwealth of Learning (vgl. SCHUWERT&JANSEN, 2017, S. 1)
Aber wofür steht der Begriff Open Education eigentlich? Laut der Definition des Joint Research Centers (JRC), der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission versteht man darunter:
Eine Art und Weise Bildung, oftmals unter Einbezug digitaler Technologien, durchzuführenden. Ziel ist es, den Zugang und die Partizipation für alle zu erweitern, indem Barrieren abgebaut und das Lernen für alle zugänglich, breit verfügbar und anpassbar gemacht wird. Es bietet vielfältige Möglichkeiten des Lehrens und Lernens, des Wissensaufbaus und Teilens von Wissen. Darüber hinaus bietet es eine Vielzahl an Zugängen zu formaler und non-formaler Bildung und verbindet diese. (ÜdA., INAMORATO DOS SANTOS, PUNIE & CASTAÑO-MUÑOZ, 2017, S. 15)
In einer Studie, die die Bemühungen aller 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinsichtlich einer Öffnung ihrer Bildungssysteme untersucht, ziehen INAMORATO et. al. (2016) zehn Dimensionen von Open Education heran. Als sechs Kerndimensionen werden Zugang, Material, Pädagogik, Anerkennung, Zusammenarbeit und Forschung genannt. Sowie die weiteren vier Querschnitt-Dimensionen Strategie, Technologie, Qualität und Leitung. Die Studie unterstützt die Mitteilung der EU-Kommission „Die Bildung öffnen: Innovatives Lehren und Lernen für alle mithilfe neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien“.
Maßnahmen, Bildung zu öffnen, werden hier des Weiteren in vier Policy-Typologien eingeteilt:
Die Untersuchungen zeigen, dass die Mitgliedstaaten sich dem Thema Open Education bewusst sind, und nahezu alle dieses auf die ein oder andere Weise in Initiativen oder Aktionsplänen adressieren, auch wenn dieses Ziel nicht in allen Fällen ausdrücklich genannt wird. (ebd., 2017, S. 5)
Vier der 28 Mitgliedstaaten: Frankreich, Deutschland, Slovenien (Gastgeber des 2. UNESCO-Weltkongresses zu OER in Ljubliana, Slovenien in 2017) sowie Schottland führten zum Zeitpunkt der Erhebung mindestens eine spezifische Open Education-Policy durch. England konnte bereits auf eine solche Maßnahme zurückblicken. Außer im Falle Sloveniens, deren Opening Up Slovenia-Strategie einen Bottom-up-Ansatz zur Entwicklung und Umsetzung von Strategien verfolgt, der alle Bildungsbereiche in den Blick nimmt, adressiert die Mehrheit dieser Strategien/Initiativen die Hochschulbildung. Im Falle Deutschlands die Schul- und Hochschulbildung.
Deutschland beteiligte sich erst relativ spät an der Diskussion um die Potenziale und Herausforderungen um OER und die damit in Verbindung stehenden Handlungsfelder. Der erste UNESCO-Weltkongress zu offenen Bildungsmaterialien 2012 und die dort verfasste Pariser Erklärung war jedoch auch für Deutschland der Startschuss zur Beteiligung an einer weiteren Entwicklung der OER-Bewegung. Die Pariser Erklärung bot Empfehlungen zur Förderung der Bekanntheit und Nutzung von OER durch gezielte Strategien und Forschungsprojekte. Auf diesem ersten Weltkongress zu OER wurde auch die Idee zur OER-World-Map geboren. OER wird in Deutschland sowohl Bottom-up als auch Top-down entwickelt. So unterstützen die OERcamps, Konferenzen und Festivals, die seit 2012 jährlich stattfinden, den Austausch von OER-Praktikern und Interessierten. Die OERcamps in 2013 und 2014 fanden am Joseph-DuMont-Berufskolleg mit Unterstützung des Kölner Schulamtes statt und beschäftigten sich von Anfang an mit Fragen zu Standards und Qualitätssicherung.
Daneben wurden viele Vorüberlegungen hinsichtlich der Potenziale und Herausforderungen von OER sowie nötiger Handlungsfelder im Bildungsbereich geleistet. Unter anderem eine Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien in Deutschland in den Bildungsbereichen Schule, Hochschule, berufliche Bildung und Weiterbildung (2015), eine Machbarkeitsstudie zum Aufbau und Betrieb von OER-Infrastrukturen in der Bildung (2016) oder der OER-Atlas 2016 zu OER-Akteuren und Aktivitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. (siehe auch OER-Atlas 2017)
Die im Bericht der Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Länder und des Bundes zu Open Educational Resources (2015) empfohlenen Maßnahmen zur weiteren Verbreitung von OER in Deutschland wurden top-down im Rahmen der Förderrichtlinie OERinfo des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Anfang 2016 aufgegriffen. Die Förderrichtlinie zu OER leistet seit Ende 2016 einen Beitrag zur Umsetzung dieser Empfehlungen. Vornehmlich werden hier Projekte zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Multiplikatoren durch Organisationen bzw. Institutionen oder Einrichtungen der Fort- und Weiterbildung von Bildungspersonal – insbesondere im Bereich der Schul- und Hochschulausbildung – gefördert, da in diesen Bereichen zunächst die meisten Potenziale für eine breite Verankerung von OER gesehen werden. Darunter finden sich auch einige wenige Projekte, die Akteure der beruflichen Bildung, explizit der beruflichen Weiterbildung adressieren.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK) verweist in seinem Beschluss zu Wirtschaftspolitischen Positionen der IHK-Organisationen (2017) auf die Notwendigkeit öffentlich finanzierter Pilotprogramme zum Auf- und Ausbau geeigneter Archiv- und Suchsysteme von Lernmedien, um hier für mehr Transparenz hinsichtlich bestehender frei zugänglicher Weiterbildungsangebote zu sorgen. Dies soll wiederum einen positiven Einfluss auf die Bildungsbeteiligung haben, vor allem im Hinblick auf Chancen und Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Überdies könne mit praxisnahen und qualitativ hochwertigen Weiterbildungen auch auf aktuelle und künftige Fachkräfteengpässe Einfluss genommen werden. (ebd. S. 25 ff.)
Literatur
DIHK, Wirtschaftspolitische Positionen der IHK-Organisationen 2017, Beschluss der DIHK-Vollversammlung am 30. März 2017, URL: https://www.coburg.ihk.de/files/wipos-2017.pdf (Stand 01.02.2018)
INAMORATO DOS SANTOS, Andreia et. al., Policy Approaches to Open Education – Case Studies from 28 EU Member States (OpenEdu Policies), Joint Research Center, European Union, Luxembourg, 2017, URL: https://ec.europa.eu/jrc/en/publication/policy-approaches-open-education-case-studies-28-eu-member-states-openedu-policies (Stand 15.01.2018)
INAMORATO DOS SANTOS, Andreia; PUNIE, Yves, CASTAÑO MUÑOZ, Jonatan, Opening up Education: a Support Framework for Higher Education Institutions, 2016, URL: https://ec.europa.eu/jrc/en/publication/eur-scientific-and-technical-research-reports/opening-education-support-framework-higher-education-institutions (Stand 15.01.2018)
ORR, Dominic; NEUMANN, Jan; MUUS-MERHOLZ, Joeran, German OER Practices and Policies – from Bottom-up to Top-down Initiatives, UNESCO Institute for Information Technologies in Education, Moscow 2017, URL: http://iite.unesco.org/pics/publications/en/files/3214746.pdf (Stand 18.10.2017)
SCHUWER, Robert; JANSSEN, Ben; OER in TVET, an overview of the state of affairs and harnessing the potentialities of OER for TVET, Summary of findings and recommendations, 28-9-2017, URL: http://www.unevoc.unesco.org/up/Summary_OER-in-TVET-study.pdf (Stand 22.01.2018)