Die Frage nach der Qualität von offenen Bildungsmaterialien wird häufig gestellt, hierzulande oft mit einem Unterton von Skepsis – Was kann schon Material taugen, das nicht von einem Verlag geprüft wurde? Butcher und Kollegen führen das darauf zurück, dass das Verständnis von Lehr- und Lernmaterialien der meisten Lehrenden immer noch stark durch die klassischen Verlagsstrukturen geprägt ist und hier Verantwortung an eine Stelle delegiert wird, wo sie im Zusammenhang mit OER nicht hingehört.
Als erste Ebene der Qualitätssicherung sehen die Autoren vielmehr das Eigeninteresse der Institutionen oder Personen, die Bildungsmaterialien veröffentlichen: Schließlich seien diese daran interessiert, dass die veröffentlichten Materialien den eigenen Ruf verbessern, oder ihm zumindest nicht schaden (Butcher et al, 2011, S.12).
Die praxisbezogene Qualitätsprüfung obliegt den Institutionen bzw. Personen, die das Material einsetzen wollen- was sich im Grunde nicht vom Umgang mit Verlagsmaterial unterscheidet: Auch hier sind Lernwerke unterschiedlich und müssen in Hinblick auf Anwendungsbereich, Zielgruppe und nicht zuletzt in der Passung zu den persönlichen Vorlieben des/der Lehrenden beurteilt werden. Grundlage dafür ist das Wissen und die Erfahrung zum eigenen Arbeitsbereich – Kursleiter*innen im DaZ-DaF-Bereich werden andere bereichsspezifische Kriterien haben als Dozent*innen in der politischen Bildung. Ein großer Teil der Qualitätsprüfung von Lehr- und Lernmaterialien lässt sich aber dennoch entlang der bekannten klassischen Fragen vornehmen, wie z.B.:
Bis hierhin unterscheidet sich also die Beurteilung der Qualität von offenen Lehr-/ Lernmaterialien nicht vom bisherigen Prozess, weshalb auch das bisher einzige explizit für OER veröffentlichte Manual zur Qualitätsbeurteilung zum größten Teil die Klassiker abbildet (vgl. Kawatchi 2013).
OER-spezifische Qualitätsmerkmale lassen sich aus den Gedanken und Elementen ableiten, die im Mittelpunkt des Konzepts von offenen Bildungsmaterialien stehen: OER sollen durch ihre offene Lizensierung rechtssicher nutzbar sowie flexibel und anpassbar sein, Zeit und Kosten sparen und für ein mehr an Bildungsgerechtigkeit sorgen. Grundgedanken bei der Erstellung und beim Einsatz sind Austausch und Zusammenarbeit, denkbar sowohl auf Ebene der Lehrenden, als auch zwischen Lehrenden und Lernenden. Aus dem Artikel von Kawachi (ebd.) wurden nachfolgend Kriterien mit OER-Bezug in diesen Text übernommen, erweitert und in Fragen umformuliert, anhand derer die Qualität von OER eingeschätzt werden kann:
– Die sichtbare und korrekte Auszeichnung mit einer Lizenz (z.B. einer CC-Lizenz) ist die Grundvoraussetzung für die rechtssichere Nutzung des Materials.
– Manche Lizenzformen schränken die Freiheiten stark ein (z.B. CC BY-ND), sodass strenggenommen nicht mehr von einer offenen Ressource die Rede sein kann.
– Die Verwendung von Teilen anderer offener Materialien kann als Hinweis verstanden werden, dass der Urheber bzw. die Urheberin sich eine entsprechende Offenheit angeeignet hat.
– Offenheit und Zusammenarbeit in der Erstellung und Verbreitung basieren auf dem Respekt vor dem Schaffen von anderen. Eine sorgfältige Angabe von Quellen und die Dokumentation von bedeutenden Änderungen am Ausgangsmaterial setzen dieses Verstehen in die Tat um.
– Eine sinnvolle Verschlagwortung spart den Nutzer*innen Zeit dabei festzustellen, ob das vorliegende Material überhaupt für eine Verwendung in Frage kommt. Eine Vernetzung z.B. mit Hilfe von Links im Material zu alternativen oder weiterführenden Ressourcen stärkt die Selbstbestimmung der Lernenden und den Gedanken von Austausch und Zusammenarbeit.
– Kostenpflichtige Registrierungshürden versperren den Zugang und sind dem Gedanken von gleichberechtigtem Zugang zu Bildung abträglich, ebenso wie das zur Verfügung stellen in ausschließlich proprietären und geschlossenen Dateiformaten (z.B. ein Arbeitsblatt nur als .pdf).
– Diskriminierungsfreiheit, Gendersensibilität und die Integration unterschiedlicher Zugänge zum Lerninhalt berücksichtigen die Heterogenität der Lernenden und sind ein Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.
– Eine Feedbackmöglichkeit ist ein Zeichen von Offenheit und ein Werkzeug für die Verbesserung des konkreten Materials und damit (langfristig) des gesamten Materialbestandes.
– Bewertungen durch andere Nutzer*innen können insbesondere bei sehr umfangreichen (Online-)Materialpools dabei helfen, Materialien zu identifizieren, die für eine genauere Prüfung in Frage kommen.
Selbstverständlich können die hier aufgeführten Fragen auch für die Prüfung von selbsterstellten Materialien herangezogen werden.
Quellen:
Butcher, N., Kanwar, A. & Uvalic-Trumbic (Hrg.) (2011): A Basic Guide to Open Educational Resources (OER). Paris, Vancouver: UNESCO und Commonwealth of Learning; abgerufen am 21.11.2017 unter http://unesdoc.unesco.org/images/0021/002158/215804e.pdf
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Kawachi, P. (2013): Quality Assurance Guidelines for Open Educational Resources: TIPS Framework. New Delhi: Commonwealth Educational Media Centre for Asia; abgerufen am 21.11.2017 unter https://oerknowledgecloud.org/sites/oerknowledgecloud.org/files/OERQ_TIPS_978-81-88770-07-6.pdf,
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