Zum Stand der UNESCO OER Recommendation – Interview mit Gašper Hrastelj

Gašper Hrastelj bei seinem Vortrag auf den Open Learning Days in Luzern, Foto: Hochschule Luzern, Zentrum für Lernen, Lehren und Forschen, Stephan Winiker, CC BY-SA 4.0

Am 28. und 29. Januar 2019 fand in Luzern die 1. internationale Konferenz zu OER in der Schweiz statt. Am Rande der Konferenz sprach Gašper Hrastelj im Interview mit OERinfo über die bevorstehende Verabschiedung der OER Recommendation (Empfehlung) durch die UNESCO Generalkonferenz im November 2019. Gašper Hrastelj erläutert, welchen Weg, das Thema OER bis zur Empfehlung genommen haben wird, wie über das Thema OER auch innerhalb der UNESCO offene Prozesse angestoßen wurden und er zeigt sich zuversichtlich, dass die Empfehlung zu OER von den UNESCO-Mitgliedsstaaten auch tatsächlich umgesetzt werden wird.

Von der Idee zum Entwurf der Empfehlung

OERinfo: Wie kam es dazu, dass nun eine Empfehlung der UNESCO zu OER auf den Weg gebracht werden konnte?
Gašper Hrastelj: 2014 kamen slowenische Kollegen und ich zusammen. Die Kollegen hatten die Idee, einen UNESCO-Lehrstuhl für OER zu gründen. In diesem Zusammenhang entstand auch die Idee, den 2nd OER World Congress in Slowenien zu veranstalten. Wir hatten das Glück, dass die damalige slowenische Bildungsministerin Maja Makovec Bren?i? sofort „ja“ sagte zu unserer Idee.

Slowenien wollte aber nicht „nur“ Gastland des OER Weltkongresses sein, wir wollten mehr bieten als die Pariser Erklärung, dem Abschlusspapier des 1st OER World Congress 2012, der in Paris stattgefunden hatte. Wir wollten konkretere Ideen, wie man OER breiter in den Agenden von Nationalstaaten verankern kann. Aus dem Kongress in Ljubljana sollte etwas entstehen. Die UNESCO wollte, dass wirklich Aktionsideen identifiziert und zu Papier gebracht werden. Daraus ist der Ljubljana OER Action Plan entstanden.

Mit riesiger Teilnahme ist der OER Action Plan 2017 in Ljubljana dann auch von Experten aus aller Welt – allein aus der EU waren fünf oder sechs Bildungsminister*innen sowie der EU Bildungskommissar nach Slowenien gekommen – verabschiedet worden. Der Aktionsplan sollte eine Grundlage werden für die Empfehlung, die die UNESCO Ende diesen Jahres beschließen wird.

Gašper Hrastelj, Foto: Hochschule Luzern, Zentrum fu?r Lernen, Lehren und Forschen, Stephan Winiker, bearbeitet von Christoph Friedhoff, CC BY-SA 4.0
Gašper Hrastelj ist stellvertretender Generalsekretär der Slovenian National Commission for UNESCO. Er war aktiv an der Organisation und Ausrichtung des 2nd OER World Congress im September 2017 in Ljubljana/Slowenien beteiligt und er hat, gemeinsam mit Aktiven aus aller Welt, am Entwurf des Ljubljana OER Action Plan mitgewirkt.

OERinfo: Wie verbindlich sind die Konventionen und Empfehlungen der UNESCO?
Gašper Hrastelj: In der Sache der UNESCO OER Recommendation hat Slowenien sehr stark gepusht, denn nicht alle UNESCO-Mitgliedsstaaten sind neuen normativen Instrumenten gegenüber positiv eingestellt. Die UNESCO kann nichts Rechtsverbindliches beschließen. Es gibt zwar eine gewisse Moral, sich an unterschriebene Konventionen (wie etwa die Welterbekonvention) und Empfehlungen zu halten, aber diese sind eben nicht verbindlich.

Die Recommendation ist ein Text mit richtig konkreten Anweisungen zu den identifizierten Empfehlungen. Da kann aber jedes Mitgliedsland selbst entscheiden, ob es sich danach richtet.

Der Anstoß zu offenen Prozessen bei der UNESCO durch OER

OERinfo: Ist der Text, der Wortlaut der Recommendation, zum jetzigen Zeitpunkt fertig, wird also nichts mehr daran verändert? Wie ist der aktuelle Stand in Sachen OER-Empfehlung?
Gašper Hrastelj: In meinem Vortrag gestern (am 28.1.2019 im Rahmen der 1. OER-Konferenz openlearningsdays in Luzern/Schweiz, Anm. OERinfo) habe ich gesagt, dass die Türen der UNESCO inzwischen etwas aufgestoßen wurden. Normalerweise war es bisher so, dass irgendwelche Angestellten der UNESCO selbst solche Texte verfasst haben, ohne vorher die Mitgliedstaaten zu konsultieren. Dann lag ein Textentwurf auf einmal auf dem Tisch und man hatte zwar Einsicht und auch die Möglichkeit sich einzubringen, aber der Zeitraum war viel, viel kürzer und auch die Art und Weise war sehr schwierig.

Wir haben zum Beispiel eine Jugend-Strategie der UNESCO (dieser Link steht nicht mehr zur Verfügung), die jetzt 5-jähriges Jubiläum feiert und kein Mensch weiß, wer den Text verfasst hat. Bei der Recommendation zu OER wollten wir das anders haben. Mit der Zusammenarbeit am OER Action Plan hatte das schon ganz gut geklappt. Der war schon vorher, also vor seiner Finalisierung im Verlauf des 2nd OER World Congress, etwa 2-3 Monate lang im Internet verfügbar. Die Community konnte zur Ausgestaltung des Textes also mitarbeiten und hat das auch getan.

Das hätte die UNESCO nicht machen müssen. Nach ihren Statuten ist die UNESCO nicht dazu verpflichtet, den Textentwurf einer Empfehlung vorher zum öffentlichen Kommentieren ins Netz zu stellen. Aber sie haben gesagt: „versucht es doch mal!“ und das haben wir gemacht. Da kamen dann viele Beiträge aus aller Welt und nicht nur von Experten, sondern auch von Regierungen. Das State Department der Vereinigten Staaten etwa hat sich auch daran beteiligt.

OERinfo: Dann sind also zum Thema OER gleichzeitig auch offene Prozesse innerhalb der UNESCO angestoßen worden. Kann man das so sagen?
Gašper Hrastelj: Ja, das kann man so sagen. Und es ist interessant zu sehen, welche Veränderungen es damit gibt. Nicht alle waren positiv eingestellt, als sie gehört haben, dass es nun eine Empfehlung geben soll. Vor allem nicht die Vereinigten Staaten. Aus den USA kommt das meiste Geld und trotzdem gab es dort eine größere Opposition und es brauchte etwas Diplomatie zwischen „Big“ USA und „Little“ Slowenien. Aber trotzdem haben wir es geschafft sie zu überzeugen. Inzwischen sind die USA ja leider kein UNESCO-Mitglied mehr. Trotzdem mischen sie noch mit über ihre Satellitenstaaten und nehmen weiterhin Einfluss.

Dieser erste informelle Textentwurf, der im Netz stand, der wurde nach dem Einsammeln der Beiträge von einer internationalen Expertengruppe aus Vertretern der UNESCO, unter Leitung Sloweniens, auf Papier gebracht. Dann wurde der Textentwurf formell an die Regierungen der Mitgliedstaaten verschickt. Das war im Herbst 2018. Bis Anfang Januar 2019 hatten die Mitgliedstaaten Zeit, offizielle Rückmeldungen zum Entwurf der Empfehlung zu geben. Daraufhin kamen nochmal mehr als 150 Beiträge, auch von den USA. Und es waren sehr viele konstruktive inhaltliche Beiträge, von teilweise mehreren Seiten Text, dabei.

Bis Anfang Januar wurde also gesammelt. Jetzt trifft sich das vorhin erwähnte Expertengremium nochmals und bringt die Beiträge zusammen in einen neuen Textentwurf. Das geschieht innerhalb der nächsten 1 bis 2 Monate. Laut Regularien der UNESCO ist es so, dass alle Mitgliedstaaten der UNESCO eingeladen sind, an einem sogenannten Special Committee Meeting zur Empfehlung der UNESCO teilzunehmen. Das Special Committee Meeting ist ein zweitägiger Expertenkongress, bei dem Vertreter der Staaten zusammenkommen, die am finalen Text der Recommendation mitarbeiten wollen.

Stattfinden wird das Treffen im Mai bei der UNESCO in Paris. Ziel des Treffens ist, den finalen Text der Empfehlung zu gestalten, der im November auf der Generalkonferenz der UNESCO zum Beschluss vorliegen wird.

Eine lange Prozedur. Aber es ist wichtig, dass wir es geschafft haben, die Mitgliedstaaten, die in Opposition zu der Recommendation waren, in den Konsultations- und Entwurfgestaltungsprozess mit einzubeziehen.

Bei der Generalkonferenz im November in Paris kann es natürlich immer noch zu neuen Debatten kommen. Ich sehe aber im Moment kein einziges Land, dass dann noch ein Veto einlegen würde.

Der Erfolg der Umsetzung einer Empfehlung wird gemessen

OERinfo: Gibt es die Hoffnung, dass aufgrund des offenen Gestaltung des Konsultationsprozesses, die Empfehlung eher umgesetzt werden wird, als frühere Empfehlungen, bei denen die Mitgliedstaaten weniger stark in den Prozess eingebunden waren?
Gašper Hrastelj: Es ist wichtig, die Experten und Regierungsvertreter nochmals darauf aufmerksam zu machen, dass der finale Text der Empfehlung durch die Mitarbeit aller zustande gekommen ist. Darum werde ich sie alle vor dem Expertentreffen im Mai daran erinnern und sie dazu auffordern, ihre Regierungsvertreter zu kontaktieren und diese zu ersuchen, beim Expertentreffen mit zu arbeiten.

Wenn die jetzige Fassung der Empfehlung mit ihren konkreten Handlungsanweisungen in der Generalversammlung im November so umgesetzt wird, dann kann ich sagen, dass diese Empfehlung dann vielleicht sogar erfolgreicher ist als andere vorherige Empfehlungen.

Das wird ja auch gemessen. Ein Diktum wird drinstehen, dass alle Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen berichten müssen, ob sie schon etwas aus der Empfehlung umgesetzt haben und wie das geschehen ist.

OERinfo: Vielen Dank für das Gespräch!


Das Interview mit Gašper Hrastelj führte Gabi Fahrenkrog für OERinfo am 29. Januar 2019 in Luzern/Schweiz.

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Gabi Fahrenkrog für OERinfo – Informationsstelle OER und Gašper Hrastelj für Slovenian National Commission for UNESCO.

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