Das Hamburger Projekt „Digitale Unterrichtsbausteine“ – Martin Brause im Interview

Foto: Peter Albrecht (BSB Hamburg), nicht unter freier Lizenz

Künftig wird es in Hamburg öffentlich finanzierten Lehrkräften im Rahmen ihrer bezahlten Tätigkeit ermöglicht, offene Lehr- und Lernunterlagen zu erstellen. Im Interview für OERinfo erläutert Martin Brause, Chief Digital Officer Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg (BSB), wie die Erarbeitung der Lehr- und Lernunterlagen organisiert ist und spricht über die Überlegungen zur freien Lizenzierung der Materialien.

OERinfo: Worum geht es im Hamburger Projekt Digitale Unterrichtsbausteine?
Martin Brause: Die Freie und Hansestadt Hamburg will den Einsatz digitaler Medien im Unterricht deutlich ausbauen. Um digitale Bildung in die Breite zu bringen, benötigt es gute Beispiele aus der Praxis, die von Lehrkräften entwickelt werden und von anderen Kolleginnen und Kollegen im Unterricht eingesetzt werden können. Das Projekt Digitale Unterrichtsbausteine ist Teil der Digitalisierungsstrategie der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) im Handlungsfeld Digitale Bildungsmedien/Content. Wir haben mit unseren Partnern, der Joachim Herz Stiftung und der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH), große fachliche und technische Expertise im Projekt. Mit den digitalen Unterrichtsbausteinen erhalten Lehrkräfte erprobte Unterrichtskonzepte und Unterrichtsmaterialien an die Hand, die sie in allen allgemein bildenden Fächern der weiterführenden Schulen einsetzen können.
Im digital.learning.lab werden die Unterrichtsbausteine als Open Educational Resources (OER) publiziert und in den Kontext weiterer Angebote gestellt wie digitale Werkzeuge, Forschung zu mediengestütztem Lehren und Lernen sowie Fortbildungsangebote.

Martin Brause, Chief Digital Officer BSB Hamburg. Aufgabenbereich des CDO ist die Digitalisierung der Schulbehörde. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Digitalisierung des Lehrens und Lernens.
Foto nicht unter freier Lizenz.

OERinfo: Wie ist die Erarbeitung der Materialien organisiert?
Martin Brause: Die digitalen Unterrichtsmaterialien entwickelt die BSB mit einem Team von 30 Hamburger Lehrkräften aus Stadtteilschulen und Gymnasien, die über umfangreiche Erfahrungen beim Unterrichten mit digitalen Bildungsmedien verfügen. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen sind überregional aktiv rund um die Frage, wie Bildung in einer digitalen Welt aussehen kann und sollte. Wir freuen uns, in diesem Projekt die in der Stadt bereits vorhandene Expertise einbinden zu können. Ich finde: bottom-up meets top-down im besten Sinne.
Die einzelnen digitalen Unterrichtsbausteine werden in vierwöchigen Entwicklungszyklen erstellt und durchlaufen sodann eine Qualitätssicherung. Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen, der BSB sowie aus dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) geben strukturierte Rückmeldungen zu Bausteinen und testen diese.
Die ersten digitalen Unterrichtsbausteine sollen im digital.learning.lab zum Schuljahresbeginn 2018/19 allen Lehrkräften in Hamburg bereitgestellt werden. Der Projektzeitraum ist auf anderthalb Jahre angelegt. Begleitet wird dieser Prozess von gemeinsamen Workshops mit der Joachim Herz Stiftung, in denen spezifische Fragestellungen fokussiert werden. Gesteuert wird der Prozess von der Stabsstelle Digitalisierung der BSB.

OERinfo: Das heißt, dass die beteiligten Kolleg*innen das als Teil der Arbeitszeit angerechnet bekommen?
Martin Brause: Ja, die Redakteurinnen und Redakteure bekommen für die Erstellung der Bausteine eine Anrechnung in Höhe von zwei Wochenarbeitszeitstunden über den Projektzeitraum.

OERinfo: Können Sie den Entstehungsprozess eines Materials beschreiben, von der Idee bis in den Klassenraum?
Martin Brause: Die Redaktionsgruppe hat sich in Fachteams eingeteilt, die in der Regel aus zwei Personen bestehen. Diese Teams strukturieren sich ihre Arbeit selbstständig. Es gibt vereinbarte Anforderungen an die digitalen Unterrichtsbausteine: So müssen sie etwa fachbezogen sein und den Bezug zu den zu erwerbenden Kompetenzen der KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ sowie der Hamburger Bildungspläne ausweisen.
Darüber hinaus geben wir den Redakteuren viel Freiheit und halten uns mit weiteren inhaltlichen Vorgaben zurück, um das kreative Potential der Kolleginnen und Kollegen zur vollen Entfaltung zu bringen. Wir ermuntern die Kolleginnen und Kollegen, mit bereits vorhandenen Unterrichtskonzepten zu starten anstatt völlig neu zu konzipieren. Wir geben den Teams ein Pattern für die Unterrichtsbausteine vor, an dem sie ihre konzeptionellen Ideen ausrichten und strukturieren. Nach 4 Wochen reicht jedes Fachteam einen Baustein ein, der dann den Feedbackzyklus durchläuft. Anschließend wird der Baustein dann veröffentlicht.

OERinfo: Wie, wo und wann werden die Ergebnisse veröffentlicht werden?
Martin Brause: Die digitalen Unterrichtsbausteine werden auf dem digital.learning.lab hamburg veröffentlicht, einer neuen Webplattform, die von der Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg (BSB) gemeinsam mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) entwickelt wird.
Die Einbindung der digitalen Unterrichtsbausteine in diesem erweiterten Rahmen mit den bereits genannten Angeboten ist uns ganz wichtig. Nur das Zusammenwirken von erprobten und alltagstauglichen, guten Unterrichtsmaterialien mit verstärkten und stärker systemisch ausgerichteten Fortbildungsangeboten in den Schulen zu Fragen des Lehrens und Lernens im digitalen Wandel verspricht Erfolg bei diesem wichtigen Thema.

OERinfo: Da schließt sich die große OER-Frage an: Welche Überlegungen gibt es zur Lizenzierung?
Martin Brause: Die digitalen Unterrichtsbausteine sollen als OER nach meiner Vorstellung eine wichtige Rolle bei der Unterrichtsentwicklung spielen. Dazu ist es notwendig und unstrittig, dass sie frei verfügbar, bearbeitbar und veränderbar sein müssen. Und ich fände es besonders erfreulich, wenn Lehrkräfte veränderte Unterrichtsbausteine wie auch weitere Unterrichtsmaterialien dann im digital.learning.lab veröffentlichen würden. Unsere Überlegungen zur Lizenzierung sind noch nicht abgeschlossen, deshalb kann und will ich momentan noch keine konkrete Lizenzierung nennen. Nur so viel: Die Lizenzierung wird so offen wie möglich und so geschlossen wie unbedingt nötig sein.

OERinfo: Welche Arten von Lernressourcen sollen (vor allem?) hergestellt werden? Arbeitsblätter, (Erklär-)Texte, Illustrationen, Filme und in welchem Zuschnitt: eher Einzelelemente oder Planungen ganzer Stunden oder sogar Unterrichtssequenzen?
Martin Brause: Unsere Redakteure sind kreativ und haben viele verschiedene Zugänge zum Lehren und Lernen mit digitalen Bildungsmedien erprobt. Unser Ziel ist es, den Lehrkräften vielfältige digitale Unterrichtsbausteine zur Verfügung zu stellen. Sowohl der Umfang der Bausteine als auch die verwendeten Materialien und Lernressourcen können dabei unterschiedlich sein. Wichtig ist: Alle Bausteine sind gleich aufgebaut, damit sich die Nutzenden gut orientieren können.

OERinfo: In welchen technischen Formaten sollen die Ressourcen vorliegen? Sind sie so aufbereitet, dass sie leicht modifizierbar sind?
Martin Brause: Unser Grundgedanke besteht ja gerade darin, Unterrichtsbausteine zu erstellen, die von jedem angepasst, verändert und wieder bereit gestellt werden können. Das benötigt leicht editierbare Formate, in denen wir z.B. unsere Texte verfügbar machen werden und eben nicht nur in unveränderbaren pdf-Dateien.

OERinfo:
Sind die Ergebnisse anschlussfähig an laufende Services bzw. Projekte wie etwa den Hamburger Bildungsserver, den Suchdienst ELIXIER oder auch das Hamburger OER-Projekt Klimawiki?
Martin Brause: Die digitalen Unterrichtsbausteine sollen als best practices im digital.learning.lab mit tools und Fortbildungsangeboten zur Verfügung stehen. Darauf konzentrieren wir uns im Moment. Gleichzeitig beschäftigen wir uns mit der TUHH gemeinsam auch mit Fragen von Metadaten, die unserem OER-Material zugeordnet werden können. Die Einbindung oder Verlinkung der entwickelten Unterrichtsbausteine als OER-lizenziertes Material in andere Bildungsplattformen ist damit sicherlich denkbar. Unser Schwerpunkt liegt aber eindeutig auf dem digital.learning.lab als neues Entwicklungsvorhaben zur Digitalisierung des Lehrens und Lernens.


Jöran Muuß-Merholz führte das Interview für OERinfo.

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Jöran Muuß-Merholz für OERinfo – Informationsstelle OER. und Martin Brause für Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg.

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