Die Universitäten Bielefeld, Dalarna (Schweden), Luxemburg und Ostrava (Tschechien) wollen im Rahmen des internationalen digiLLM-Projekt mit Lehrenden und Lernenden über die Inklusionssensibilität von digitalen Bildungsmaterialien und OER ins Gespräch kommen. Dazu wird ein digitales Ökosystem zum Austausch über offene Bildungsmaterialien geschaffen.
Ein Beitrag von Marlene Pieper
Bildungsmaterialien und Inklusion
digiLLM steht für „Digital Living Learning Materials“. Das Projekt befasst sich mit der Inklusionssensibilität* von digitalen Bildungsmaterialien. Lehr- und Lernmaterialien jeglicher Art sind ein zentraler Bestandteil jeder pädagogischen Interaktion, jedes Lehrens und Lernens. Deshalb prägen sie die Inklusivität oder Exklusivität von Lehr- und Lernsituationen – ob formell oder informell. Klassen- und Seminarräume beispielsweise werden immer vielfältiger. Deshalb müssen Lehrende und Lernende ihre Materialien an unterschiedliche Lernbedürfnisse, Kontexte und Umgebungen anpassen können. Digitalen Lehr- und Lernmaterialien wird hierbei großes Potenzial zugesprochen, da technische Anwendungen die Accessibility sowie die Anpassung und Personalisierung von Materialien vereinfachen. OER bieten zusätzlich den freien Zugang zu Wissen und Information, was das Argument der Inklusion nochmal unterstreicht. OER und digitale Lehr- und Lernmaterialien können also inklusive Bildungsangebote unterstützen – allerdings bleiben hier noch einige Fragen offen:
Was macht ein Material inklusiv? Wie können wir geeignete von ungeeigneten Materialien unterscheiden?
Und welche Räume gibt es, um über die Inklusionssensibilität von Materialien nachzudenken?
Im digiLLM-Projekt erforschen und prägen wir das Konzept der Living Learning Materials. Es steht für die aktive Auseinandersetzung mit Bildungsmaterialien. Wenn wir die Materialien, die wir zum Lehren und Lernen verwenden, als Reflexionsanlass nutzen, können wir inklusivere Lernerfahrungen schaffen.
Unser Ziel: ein digitales Ökosystem zur Reflexion über inklusionssensible Bildungsmaterialien
digiLLM schafft Werkzeuge und Räume zur Reflexion über die Inklusionssensibilität von Bildungsmaterialien. Auf der Projektwebseite werden zum aktuellen Zeitpunkt die Perspektiven und Logiken des Projekts sowie erste Forschungsergebnisse präsentiert. In Form eines Mappings hat das Team die verschiedenen Perspektiven auf den Zusammenhang von OER und Inklusion in den Projektländern erfasst. Darunter zählen Ergebnisse einer Literaturreview, Verweise auf OER-Repositorien sowie Auszüge aus Interviews mit Lehrkräften, Studierenden, Expert*innen sowie OER-providern aus allen vier Ländern.
Dort wird ebenso das Framework for the Reflection on Living Learning Materials (FRoLLM) vorgestellt. Das FRoLLM ist ein Werkzeug, das die Reflexion über die zu nutzenden Bildungsmaterialien anleitet. Anhand von sechs Themenbereichen, die aus verschiedenen Leitfragen und Indikatoren bestehen, kann die Inklusionssensibilität eines Materials beurteilt werden. Dabei stehen keine feststehenden Qualitätskriterien im Fokus. Vielmehr soll die aktive Auseinandersetzung mit digitalen, offenen Bildungsmaterialien sowie das Nachdenken über Inklusion in den eigenen Lehr- und Lernkontexten angeregt werden. Der FRoLLM ist digital abrufbar. Zielgruppen sind Lehrkräfte, Lehramtsstudierende, Lernende aus jedweden Kontexten sowie alle, die mit offenen digitalen Bildungsmaterialien lernen und arbeiten. Zu einem späteren Zeitpunkt werden Trainingsmodule zur Einführung in die Arbeit mit dem FRoLLM frei verfügbar sein.
Im Rahmen der aktuellen Projektphase entwickelt das Projektteam ein interaktives digitales Portal. Ziel ist, interessierten (zukünftigen) Lehrkräften, Lernenden sowie allen, die mit digitalen Bildungsmaterialien arbeiten, einen Raum zur Reflexion über deren Inklusionssensibilität zu schaffen. Über Ratings und Kommentarfunktionen wird es möglich sein, sich zur eigenen Nutzung und der Einschätzung von digitalen Lernmaterialien zu äußern. Über einen Login können Nutzer*innen Materialien zur Reflexion vorschlagen und Reflexionen teilen. Hierdurch können die Nutzer*innenperspektiven auf Bildungsmaterialien und deren Inklusionssensibilität gebündelt sichtbar gemacht werden. Der Launch für das digitale Portal und seine review function ist für das Frühjahr 2024 geplant.
Die Gründung des Journals „Digital Inclusive Learning Materials (DILeMa)“ vervollständigt dieses multimodale digitale Ökosystem. Ziel von DILeMa ist die wissenschaftliche Reflexion des Zusammenspiels von digitalen Lernmaterialien und Inklusion. Dabei werden theoretische Betrachtungen mit empirischen Perspektiven auf digitale Lernmaterialien verknüpft. Besonderer Fokus liegt hierbei auf Meta-Reviews: Dafür werden die Reviews von Materialien auf dem digiLLM-Portal von Nachwuchswissenschaftler*innen oder auch am wissenschaftlichen Schreiben interessierten Lehrkräften zusammengeführt. Durch Meta-Reviews lassen sich Nutzer*innenperspektiven und Einschätzungen hinsichtlich der Inklusionssensibilität systematisieren und verstetigen. Ziel ist, das Nachdenken über den Zusammenhang von digitalen Bildungsmaterialien und OER mit Inklusion in die Breite sowie den akademischen Diskurs zurückzuführen. Eine erste Ausgabe soll im Sommer 2025 erscheinen.
digiLLM entwickelt damit verschiedene Ansatzpunkte zur aktiven Auseinandersetzung mit offenen Bildungsmaterialien – und damit zur Weiterentwicklung des Living Learning Materials-Konzepts
Förderhinweis
Das Projekt digiLLM wird im Rahmen der Erasmus+ Förderlinie der Europäischen Union vom DAAD (Deutschen Akademischen Austauschdienst) als Cooperation Partnership co-finanziert (2022-2025).