Ein Meinungsbeitrag von jOERan Muuß-Merholz
Beim Konzept der Nachhaltigkeit geht es um die Nutzung von Ressourcen. Dabei wird häufig an natürliche Ressourcen wie Wälder oder Meere gedacht. Aber die Leitidee Nachhaltigkeit lässt sich auch auf kulturelle Ressourcen anwenden – beispielsweise für Bildungsressourcen. In seinem Meinungsbeitrag sammelt Jöran Muuß-Merholz Argumente für die These „OER sind nachhaltige Bildungsressourcen!“
Fünf Gründe, warum Open Educational Resources nachhaltig sind
Mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“ sind unterschiedliche Konzepte und Ziele verbunden. Im Folgenden greife ich fünf davon heraus, an denen der Zusammenhang zu offenen Bildungsressourcen besonders deutlich wird.
- Nachhaltig kommt von „nachhalten“. Eine Bildungsressource ist demnach nachhaltig, wenn sie auf lange Zeit verfügbar bleibt. OER erleichtert das Nachhalten, weil eine Ressource beliebig kopiert, gespeichert und bereitgestellt werden kann. Bei einer nicht-offenen Bildungsressource ist man darauf angewiesen, dass ihr Urheber (z.B. ein Autor) bzw. seine Vertretung (z.B. ein Verlag) die Ressource weiterhin verfügbar halten. Tun sie das nicht, ist die Ressource verloren. Selbst wenn viele andere Menschen über verbleibende Kopien verfügen sollten, dürfen sie diese nicht weitergeben – nicht als Ganzes, nicht in Teilen und auch nicht in überarbeiteten Fassungen.
- Das Konzept der Kreislaufwirtschaft wird als Modell für nachhaltiges Wirtschaften gesehen. Die Grafik unten zeigt, wie Ressourcen in einem linearen (links) und einem zirkulären (rechts) Wirtschaftsmodell genutzt werden. Es wird deutlich, warum die Linearwirtschaft auch „Wegwerfwirtschaft“ genannt wird. Vor dem Hintergrund digitaler Materialien lässt sich das zirkuläre Modell auf offene Bildungsressourcen übertragen. OER erlaubt nicht nur jedwede Nutzung und Nachnutzung, sondern auch Veränderungen und Überarbeitungen. Und solange die so entwickelten Überarbeitungen weiterhin als OER geteilt werden, können sie wiederum Ausgangspunkte für weitere Iterationen sein.
- Eng mit dem vorherigen Punkt verbunden ist die Idee, dass gemeinsame Ziele nicht immer am besten in Isolation und Konkurrenz verfolgt werden müssen, sondern dass Nachhaltigkeit durch Zusammenarbeit und Austausch erreicht werden kann. Für Bildungsressourcen bedeutet dies, dass nicht jede Autorin, jede Herausgeberin, jede Bildungseinrichtung und jeder Lehrer das Rad neu erfinden (oder nachbauen) müssen. Bei offenen Bildungsressourcen kann ich das mit-nutzen, was andere vor mir geschaffen haben. Ich kann es für meine Zwecke anpassen – und die Ergebnisse wiederum für Dritte bereitstellen. Über längere Zeit hinweg können so die Vielfalt und die Qualität von Bildungsressourcen verbessert werden.
- Nachhaltigkeit meint: globale Gerechtigkeit. Eine Bildungsressource ist in diesem Sinne nachhaltig, wenn keine zusätzlichen Hürden für ihre Weitergabe an den Grenzen von Ländern bzw. Rechtsräumen bestehen. Die freien Lizenzen hinter OER erlauben, dass offene Bildungsressourcen unabhängig vom globalen Standort weitergegeben und genutzt werden können.
- Mit Nachhaltigkeit ist auch die Leitstrategie Effizienz verbunden. Auf Bildungsressourcen angewandt, bedeutet Effizienz, dass wir Materialien, Energie, Geld und andere Ressourcen sinnvoll optimieren können. Es ergibt zum Beispiel unter Nachhaltigkeitsperspektive wenig Sinn, wenn wir durch öffentliche Gelder erstellte Materialien nicht auch öffentlich und offen zur Nutzung zur Verfügung stellen.
Was denken Sie dazu?
Jetzt sind Sie dran! Fällt Ihnen ein sechster Punkt ein? Oder möchten Sie widersprechen? Wir freuen uns über Nachfragen, Ergänzungen, Zweifel, Wider- oder Zusprüche – bevorzugt unten als Kommentar!
PS: Vielen Dank für das gemeinsamen Brainstorming in der Facebook-Gruppe zu OER.