Das Projekt „Diskursives Lehren – nachhaltiges Lernen“ möchte das Erlernen biblischen Grundlagenwissens nachhaltiger gestalten. Dies soll mithilfe von Online-Inhalten auf Basis eines diskursiven Lehr-Lernansatzes geschehen. Realisiert wird das Projekt unter Beteiligung der RWTH Aachen, der Universität Bonn und der Universität Münster.
Ein Beitrag von Alexander-Maximilian Gialousis
Digitales und diskursives Lehren in der Studieneingangsphase
In der wissenschaftlichen Forschung geschieht die Auswertung von Erkenntnissen insbesondere in Diskursen. Wissen ist also keine absolute Größe, die mit genügend Anstrengung wie ein Rohstoff geschürft werden kann. In der Genese von Wissen müssen wir neue Erkenntnisse vielmehr immer wieder auswerten, diskutieren und reflektieren. Sie sind damit dynamisch. Besonders in der Studieneingangsphase ist dieser Umstand vielen Studierenden noch nicht vollends bewusst. So werden die in den Lehrveranstaltungen thematisierten Inhalte als von der Fachperson gegeben, damit für absolut gehalten und vor diesem Hintergrund rezipiert.
Hier setzt das Projekt „Diskursives Lehren – nachhaltiges Lernen“ an. Unter Beteiligung der RWTH Aachen, der Universität Bonn sowie der Universität Münster entwickelt das Team Onlinekurse und -lerneinheiten für die biblische Wissenschaft als Fachbereich der Theologie. Diese Kurse und Einheiten integrieren die Diskursivität wissenschaftlichen Arbeitens in den Lernprozess. Die Studierenden erkennen somit bereits früh, dass die Forschungsgegenstände und -befunde der biblischen Wissenschaft verschiedene begründete Schlüsse zulassen, die es abzuwägen gilt. Wichtig hierbei ist der Grundsatz, dass diese Fach- und Forschungsdiskurse keineswegs beliebig. Vielmehr sind die zu diskutierenden Standpunkte Ergebnisse sorgfältiger, methodengeleiteter Forschung.
Diskursives Lehren als didaktische Verknüpfung von Fachwissen, Diskursivität und Digitalität
Die Hauptaufgabe der erstellten Angebote liegt neben der Vermittlung fachlicher Inhalte vor allem in der Übersetzung von Diskursen in eine digitale, vornehmlich asynchrone Lehr-Lernumgebung. Um diesen Übertrag zu leisten, stehen bei der Gestaltung der Lerneinheiten zwei Komponenten im Mittelpunkt, die eine Teilhabe an den fachlichen Diskursen ermöglichen:
Auf der einen Seite steht die Einbindung unterschiedlicher Diskursformate, die von textbasierten Teilen bis hin zu Videoformaten reichen. Dabei wird sich sowohl klassischer Lehrvideos und aufgezeichneter Diskussionen bedient als auch so genannte Reaktionsvideos verwendet. In diesen sehen sich Forschende Inhalte anderer Forscher*innen an und ‚reagieren‘ auf diese in Videoform – sie ergänzen also Informationen, kommentieren Aussagen des Videos oder verdeutlichen eigene (abweichende) Standpunkte. Dadurch entsteht ein zeitlich nachgeordneter, aufgezeichneter Diskurs. Anders als in aufgezeichneten Simultandiskussionen bietet dies den Studierenden die Möglichkeit einer planvolleren und langsameren Auseinandersetzung mit den Inhalten der Videos, als dies in einer ad hoc-Diskussion der Fall ist. Studierenden werden so verschiedene Positionen zu einem Forschungsgegenstand präsentiert, die sie nachvollziehen und voneinander abgrenzen können. Das soll sie zur Bildung eines eigenen Standpunktes anregen.
Auf der anderen Seite unterstützt der Einsatz von Branching Scenarios diesen Prozess, indem die passive Teilhabe an den Diskursen in Form der Videos um eine aktive ergänzt wird. So können Studierende sich für eine vorgestellte Position entscheiden, diese weiter vertiefen und erneut mit den anderen in Beziehung bringen. Es entsteht eine tiefere Auseinandersetzung mit den Fachinhalten, die durch die Einbindung mehrerer Positionen besser mit erworbenem Wissen vernetzt werden kann. Daraus soll ein größerer und nachhaltigerer Lernerfolg entstehen. Dazu soll eine Lernumgebung geschaffen werden, die neben der fachlichen Leistung auch das Autonomieerleben durch eigene Positionierung in (Forschungs-)Diskursen stärkt.
OER als Möglichkeit einer zeitgemäßen Didaktik innerhalb des Theologiestudiums
Das Projekt stellt die digitalen Lehr-Lerninhalte als OER zur Verfügung. Das ermöglicht es, sie flexibel innerhalb der eigenen Lehrplanung einzubauen und damit individuell an das jeweilige Curriculum, die Veranstaltungsform, die Studienkohorte sowie nicht zuletzt an die gesetzten Lernziele anzupassen. Neben ganzen Kursen können Lehrende auch nur einzelne Lerneinheiten nutzen und ggf. modifizieren. Das Angebot soll Studierende befähigen, eigenständig und selbstgesteuert Inhalte der biblischen Theologie zu erarbeiten und in ihrer Diskursivität zu begreifen. Das dient neben dem Wissenserwerb gleichsam der Habitusbildung in Bezug auf das eigene Studienverhalten.
Daneben ist das Konzept diskursiven Lehrens und Lernens auch auf andere Fachbereiche der Theologie oder (Geistes-)Wissenschaften übertragbar und ermöglicht auf Basis des OER-Modells eine Erweiterung des Lernangebots. Das kann entweder in Anknüpfung an die im Projekt erstellten Inhalte oder unabhängig davon passieren.