Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass spielerisches Lernen nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen positive Effekte erzielt. Auf Basis dieser Erkenntnis hat ein Team der RWTH Aachen während der Pandemie ein Online-Spiel entwickelt, mit dem ihre Lehramtstudierenden Wissen rund um OER und den OER-Lebenszyklus vertiefen können. Eingebettet in ein mittelalterliches Narrativ müssen die Spieler*innen dabei Fragen zu den verschiedenen Bereichen des OER-Lebenszyklus beantworten. Interessierte außerhalb der RWTH können sich ebenfalls kostenlos einen Account anlegen. Aktuell ist das Spiel nur auf Englisch verfügbar.
Ein Beitrag von Lubna Ali und René Röpke
Hintergrund
Um Wissensbarrieren zwischen Nutzer*innen und OER zu überwinden, wurden am Lehr- und Forschungsgebiet Lerntechnologen der RWTH Aachen Qualifizierungsworkshops für Lehrende und Studierende in der Lehramtsausbildung entwickelt. Die Workshops dienen dazu, die Teilnehmer*innen über den OER-Zyklus (Finden, Erstellen, Bearbeiten, Nutzen und Verbreiten von OER) zu qualifizieren und Materialien richtig zu lizenzieren. Während der Präsenzworkshops haben die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, das Gelernte in praktischen Sitzungen zu vertiefen. In kleineren Gruppen lösen sie dabei Aufgaben wie die Kombination von OER-Lizenzen und die anschließende Veröffentlichung der Ergebnisse unter einer geeigneten Lizenz.
Da die Präsenzworkshops durch die COVID-19-Pandemie beeinträchtigt waren, entschlossen wir uns, die Workshops in einem Online-Format anzubieten. Die interaktiven praktischen Sitzungen wollten wir durch ein digitales Lernspiel ersetzen, das auf dem Konzept des Game-based Learning (GBL) basiert. GBL ist eine Kombination aus Lernen und Spielen in einer gemeinsamen Aktivität. Es bietet eine virtuelle Umgebung, in der Spieleigenschaften zur Verbesserung der Lernprozesse dienen. Dieser Rahmen kann das Engagement der Teilnehmer*innen fördern und ihnen helfen, neues Wissen auf effizientere Weise zu erwerben. Die oben genannten Vorteile von GBL sind durch zahlreiche Forschungen auf der ganzen Welt belegt. GBL hat sich allmählich zu einer modernen, hocheffizienten Methode entwickelt und wird heutzutage in einer Vielzahl von Unterrichtsaktivitäten und Bildungsmaßnahmen eingesetzt.
Spielgestaltung
Um den Lernerfolg zu verbessern, haben wir uns bei der Gestaltung und Erweiterung des Vorgängers OER-Editing Game an den Richtlinien von Plass orientiert. Neben zusätzlichen Levels, die mehr Lerninhalte vermitteln, haben wir neue Funktionen hinzugefügt, die das Spiel attraktiver und ansprechender gestalten. Neue Frage-Levels, die den gesamten OER-Lebenszyklus abdecken, wurden dem Spiel hinzugefügt, um den Lerninhalt des Spiels zu erweitern. Weiterentwickelte Spielmechaniken gestalten das Spiel interaktiver und geben den Spieler*innen die Möglichkeit, eine Aufgabe nicht nur durch die einfache Beantwortung von Fragen zu lösen, sondern auch in eine fesselnde Geschichte einzugreifen. Wir sind überzeugt, dass dies den Spieler*innen ein verbessertes Spielerlebnis und damit einen ansprechenden Zugang zu OER verschafft.
Die visuelle Ästhetik und das auditive Design des Spiels wurden ebenfalls überarbeitet, indem mehr Bilder für eine bessere Illustration integriert wurden. Darüber hinaus wurde eine neue Hintergrundmusik und neue Audiohinweise implementiert, die zum Thema und zur Atmosphäre des Spiels passen. Das narrative Design des Spiels wurde ebenfalls verbessert, indem eine umfassendere Geschichte im Spiel entwickelt wurde, die den Spieler*innen das Gefühl gibt, das Spiel zu spielen, anstelle etwas über OER zu lernen. Jedes Level wurde sorgfältig entworfen, um OER-Fragen und das Spielthema zu kombinieren. Diese Kombination sorgt für eine gut gestaltete Handlung und erleichtert das Verständnis und den Umgang mit OER im Allgemeinen.
Die technischen Grundlagen des Spiels wurden auf der Grundlage der drei großen Komponenten Frontend, Backend und Datenbank entworfen und umgesetzt. Das Frontend dient als Schnittstelle für die Benutzer*innen, um mit dem Spiel zu interagieren, während die Daten wie Name, Spielstand und der Spielfortschritt in der Datenbank gespeichert werden. Um diese beiden Teile miteinander zu verbinden, haben wir ein Backend mit modernen Webentwicklungsstandards implementiert, das auch alle Spiellogiken und -abläufe verarbeitet.
Spielprototyp
Als Teil des narrativen Designs erzählt das Spiel von einer mittelalterlichen Zeit, in der ein Schmied die Aufgabe hat, ein magisches Schwert zu schmieden, um seinem Königreich Frieden zu bringen. Basierend auf der Ähnlichkeit der Kombination von Materialien, die zum Schmieden des Schwertes benötigt werden, repräsentieren OER jeweils bestimmte Materialien. Die Spieler*innen helfen dem Schmied herauszufinden, mit welcher Lizenz und unter welchen Bedingungen er sein Meisterwerk fertigstellen kann. Dies ist eine hervorragende Analogie zur Tätigkeit des Umgangs mit OER, bei der man verschiedene OER miteinander kombinieren, einige Bearbeitungen vornehmen und schließlich eine eigene Lizenz auf seine Kreation anwenden möchte.
Das Spiel besteht aus vier verschiedenen Ebenen, die den vier Teilen des OER-Zyklus entsprechen: (1) Erstellen, (2) Verwenden, (3) Bearbeiten und (4) Verbreiten. Der Schritt „Suchen“, der in Abb. 2 zu sehen ist, wurde nicht in das Spiel aufgenommen, da er auf dem Suchen und Finden von Materialien in OER-Portalen basiert, was nicht Teil der Handlung des Spiels ist.
Für jedes Level gibt es sechs bis sieben Fragen, die in Schwierigkeit und Form variieren, z. B. Multiple-Choice-, Drag-and-Drop-und Zuordnungsfragen. Jede Frage wurde verständlich formuliert und steht in engem Zusammenhang mit dem Thema des Spiels und dem Inhalt der Workshops. Abb. 3. zeigt zum Beispiel einen Screenshot einer Matching-Aufgabe aus dem Spiel. Für das Spiel sind 20 Minuten als Teil der praktischen Sitzung vorgesehen, so dass die Teilnehmer*innen ihr Wissen während des Workshops testen und sich bei Fragen direkt an die Dozent*innen wenden können. Zusätzlich haben wir ein Leaderboard und ein Punktesystem entwickelt, um die Spieler*innen zu motivieren und die Interaktion mit dem Spiel zu fördern.
Nachdem die Spieler*innen das Spiel beendet haben, wird eine Zertifikatsoption aktiviert. Damit erhalten sie ein automatisch generiertes Zertifikat, das bestätigt, dass sie grundlegendes Wissen über OER erworben haben. Mit diesem Zertifikat erhalten sie auch Zugang zu weiterführenden Kursen oder Workshops über OER, die an der RWTH Aachen angeboten werden.
Die aktuelle Version des Spiels finden Sie hier: https://oer-cycle.elearn.rwth-aachen.de.
Fazit und Ausblick
Durch die Nutzung der Potenziale von GBL und des Konzepts von OER haben wir ein digitales Lernspiel weiterentwickelt, das es Workshop-Teilnehmern*innen ermöglicht, ihr Wissen über OER zu erproben und zu vertiefen. Unser Spiel hat viel positives Feedback von den Teilnehmern*innen der jüngsten Workshops erhalten. Sie teilten ihre Meinung über das Spiel und wie es ihnen geholfen hat, ihr Wissen über OER zu erweitern.
Es gibt jedoch immer Möglichkeiten zur Verbesserung, zum Beispiel durch das Hinzufügen neuer oder das Erweitern bestehender Funktionen. Um es für Teilnehmer*innen noch einfacher zu machen und die Sprachbarriere zu überwinden, ist geplant, das Spiel ins Deutsche zu übersetzen. Auch andere Übersetzungen wären denkbar, um die Reichweite des Spiels zu erhöhen. Darüber hinaus soll es in den nächsten Entwicklungsphasen des Spiels noch mehr interaktive Elemente geben, um das Spielevergnügen zu steigern. Ein Ansatz wäre zum Beispiel, die derzeitige Spielmechanik zu ändern und mit anderen Spielelementen zu ergänzen. Außerdem soll das Feedback der Teilnehmer*innen genauer analysiert werden, um die Wirksamkeit von GBL bei der Förderung der OER zu untersuchen.
Weiterführende Literatur
Für einen umfassenderen Einblick in die Forschungs- und Entwicklungsarbeit der Autoren verweisen wir auf die folgende Veröffentlichung:
- Ali, Q. Phung, R. Roepke, and U. Schroeder, “A Digital Educational Game for Practicing Open Educational Resources,” in Smart Learning Environments in the Post Pandemic Era: Selected Papers from the CELDA 2022 Conference, D. G. Sampson, D. Ifenthaler, and P. Isaías, Eds., Cham: Springer Nature Switzerland, 2024, pp. 147–165. doi: 10.1007/978-3-031-54207-7_9.