Forschende im Portrait: Tamara Heck

 Porträtbild von Tamara Heck in Frankfurt a. M., Skyline im Hintergrud
Porträt von Tamara Heck, Postdoc am DIPF, Urheber: DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, CC BY-SA.

OERinfo: Wie bist dazugekommen, am DIPF Infrastrukturen zu erforschen?
Tamara Heck: Ich bin im Mai 2018 ans DIPF gekommen, forsche aber nicht primär zu Infrastrukturen, sondern beschäftige mich mit Open Science sowie mit Informationssuche und mit Informationskompetenz. Ich war über sechs Jahre an der Abteilung Informationswissenschaft an der Universität Düsseldorf als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und habe dort meinen Doktor gemacht. Von 2017 bis 2018 habe ich am Digital Life Lab der University of Southern Queensland (Australien) geforscht. Dort lag der Fokus auf Digitalität, z.B. Forschung zum Umgang mit digitalen Infrastrukturen und Tools aus der Nutzungsperspektive. In Australien habe ich auch die Themen Open Educational Resources und Open Educational Practices intensiver kennengelernt und mich damit beschäftigt.

OERinfo: Wo liegen deine Forschungsschwerpunkte und -interessen?
Tamara Heck: Kurz gesagt, bei der Informationssuche und dem Umgang mit digitalen Informationen, der Informationskompetenz und der Wissenschaftsforschung, hier explizit Open Science. Natürlich gibt es noch viele andere Interessen, die an diese Kernschwerpunkte anknüpfen, wie die Forschung zu Open Educational Resources und Open Educational Practices und auch Forschungsevaluierung, d.h. Szientometrie, ein Forschungsbereich der Informationswissenschaft.

OERinfo: An welchen Projekten warst und bist du beteiligt?
Tamara Heck: Ich koordiniere das Projekt EduArc, in dem wir eine Metasuche für Open Educational Resources konzipieren. Zusammen mit drei Doktorand*innen erarbeiten wir ein Teilprojekt im Informationszentrum Bildung am DIPF. Die anderen Teilprojekte sind bei drei anderen Partnern angesiedelt. Dann habe ich ein Projekt zu Open Science-Praktiken im Mai 2020 abgeschlossen, das ich gerade auswerte. Darin habe ich Nachwuchswissenschaftler*innen aus der Bildungsforschung befragt und begleitet, die versuchten, Open Science-Praktiken in ihrem Forschungs- und Lehralltag anzuwenden. Die Hauptfragen waren, ob die Praktiken, die bei Open Science vorgegeben sind, auch immer umgesetzt werden können, in welchen Kontexten dies gut gelingt und in welchen es schwierig ist. Daneben beschäftige ich mich gemeinsam mit Doktorand*innen mit Themen aktueller Dissertationen am IZB, wie Systematic Reviews. Auch bin ich Mentorin im Wikimedia Fellow Programm Freies Wissen und finde es sehr lehrreich und spannend, Open Science-Projekt zu begleiten und mich mit Kolleg*innen aus verschiedenen Fachbereichen auszutauschen und gemeinsam Ideen zu erarbeiten.

OERinfo: Wodurch wurde dein Interesse an Open Educational Resources, Open Educational Practices und Open Science geweckt? Was motiviert dich?
Tamara Heck: Auf den Bereich Open Science wurde ich durch den Leibniz-Forschungsverbund Open Science, der hieß damals noch Science 2.0., aufmerksam. Meine Kollegin und Promotionsbetreuerin an der Uni Düsseldorf, Isabella Peters, war im Verbund und beim Thema Open Science aktiv und so bin ich auch dazugekommen. Forschungsprojekte des Verbundes untersuchten unter anderem, wie Forschende neue digitale Technologien nutzen, was sie damit machen, auch wie sie damit mit verschiedenen Zielgruppen kommunizieren. Später wurde daraus der Schwerpunkt Open Science und der Forschungsverbund hat sich umbenannt. Zu Open Educational Resources und Open Educational Practices hatte ich zum ersten Mal richtigen Bezug als ich in Australien war. Denn dort ist das Thema schon sehr viel etablierter, es wurde schon damals dazu schon mehr erforscht. Auch weil in Australien die Distanzlehre viel prominenter ist und eine größere Rolle spielt. Dadurch wurden auch Forschende auf das Thema Open Educational Resources aufmerksam. Ich hatte Glück, dass ich in einer Abteilung u.a. mit dem Kollegen Adrian Stagg war, der zu OER forscht. Über deutsche Kolleg*innen auf einer Konferenz bin ich dann auf die OER-Postkarten gestoßen. Sie beschreiben, was OER ist, welche Lizenzen es gibt, und wo man OER finden kann. Ich nutze die tollen Links heute noch und habe die Karten auf meinem Schreibtisch liegen. Ich hatte die Idee, mit meinen australischen Kolleg*innen diese Postkarten ins Englische zu übersetzen. Das war die erste Aktion, die ich zum Thema OER gemacht habe. Zu Open Educational Practices kam ich durch Forschungsliteratur und durch eine weitere Kollegin, meine Mentorin Carina Bossu, die zu diesem Thema forscht. Mit ihr habe ich 2020 ein Special Issue zu Open Science in der Lehre. Dahinter steckt die Idee, Praxis und Forschung zu Open Educational Practices und Open Science besser zu verknüpfen, da sich beide Konzepte ähneln.

OERinfo: Was bedeutet Forschung für dich? Was ist dir dabei auch im Sinne der Offenheit wichtig?
Tamara Heck: Die Frage ist gar nicht so einfach. Witzigerweise gebe ich gerade einen Kurs zu wissenschaftlichen Studien und dort habe ich auch mit der Frage begonnen: Was ist überhaupt Forschung? Was macht Forschung aus? Ich denke, das Wichtigste für mich ist, Probleme, Herausforderungen und offene Fragen zu erkennen und diese gezielt mit wissenschaftlichen Methoden anzugehen. Wichtig finde ich es dabei, offen zu sein. Denn nur mit Offenheit lassen sich die Probleme erkennen und Fragestellungen finden, die wissenschaftlich und gesellschaftlich relevant sind, dass sie erforscht werden müssen. Dabei ist auch Kreativität gefragt. Ich habe den Studierenden erklärt, dass Forschungsfragen oder die Themen, mit denen sie sich beschäftigen möchten, nicht einfach vom Himmel fallen. Sie müssen offen dafür sein, die Augen aufhalten, Dinge beobachten, kritisch hinterfragen, und dann erkennen sie relevante Fragen. Mir ist auch wichtig, dass Forschung transparent und nachvollziehbar ist. Nur so kann ich die daraus gewonnenen Erkenntnisse beurteilen und kritisch hinterfragen. Vieles hängt hierbei von der richtigen Kommunikation ab, hier könnte die Wissenschaft noch etwas an sich arbeiten. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Interdisziplinarität. Ich möchte als Forschende nicht nur aus einer Perspektive forschen, Probleme und relevante Fragen stellen sich mir generell, nicht auf ein Fach bezogen. Der Bezug zur eigenen Disziplin ist bewusst und unbewusst immer vorhanden, dennoch möchte ich offen für andere Ansätze sein.

OERinfo: Was sind deine Ziele als Forscherin?
Tamara Heck: Es wäre toll, wenn sich die Erkenntnisse meiner Arbeit in der Praxis umsetzen. Z.B. wenn wir es schaffen, Informationskompetenz besser zu fördern, die Leute fit in der Informationssuche für den Alltag, die Arbeit und für andere Kontexte zu machen. Für Open Science wünsche ich mir, dass wir das Ziel erreichen, Forschung verständlich, zugänglich und inklusiv zu betreiben. Wenn sich diese Prinzipien in der Forschung breit durchsetzen, dann haben auch wir als Gesellschaft einen größeren und schnelleren Erkenntnisgewinn.

OERinfo: Was würdest du Nachwuchswissenschaftler*innen mit auf den Weg geben?
Tamara Heck: In erster Linie: Habt Spaß. Forschen soll einem Spaß machen, auch wenn der Weg, wie bspw. zu einer Doktorarbeit, zuweilen steinig ist. Spätestes gegen Ende der Dissertation sollte sich jeder Gedanken machen, wo und in welche Richtung er/sie arbeiten will: reine Forschung, Forschung und Lehre, nur Lehre oder die Wirtschaft. Es gibt viele Wege, die eigene Karriere zu planen. Es wird immer gesagt, in der Wissenschaft zu bleiben, ist nicht einfach. Ich weiß aber nicht, ob es in der Wirtschaft leichter ist. Wer ein Ziel hat und Spaß dabei hat, darüber regelmäßig reflektiert und sich auch Rat holt – ich habe bspw. am Leibniz-Mentoring teilgenommen – findet seinen eigenen Weg. Speziell zum Thema Open Science und OER würde ich Nachwuchswissenschaftler*innen raten, zu reflektieren, ob sie diese Prinzipien befürworten und wie sie diese in die eigene Arbeit integrieren könnten. Dabei ist Gelassenheit angesagt. Es ist besser, einzelne Schritte nach und nach anzugehen, und nicht alle Arbeitsschritte sofort nach den Open Science-Prinzipien zu gestalten. Es ist ein guter Schritt, einzelne Aspekte nach und nach umzusetzen und somit die eigene Forschung offener und transparenter zu gestalten. Das ist natürlich einfacher in der Gruppe, in der man Ideen und Praktiken austauschen kann. Möglichkeiten für Information und Austausch gibt es genug, wie Barcamps und Konferenzen, das Open Science Radio, Communities zu Open Science und RSE, und auch Förderungen wie das Stipendium im Wikimedia Fellow Programm Freies Wissen.

OERinfo: Was sollte man sonst noch über dich als Forscherin wissen?
Tamara Heck: Natürlich kann man alleine forschen, aber es macht immer noch mehr Spaß in der Gruppe. Das heißt, ich suche immer neue Kontakte und Möglichkeiten zur Kooperation. Denn ich glaube, dass dies auch der Mehrwert in der Wissenschaft ist: gemeinsam wichtige Fragen anzugehen und ihre Erforschung voranzutreiben.

Interviewfragen von Celestine Kleinesper, Redaktion Sigrid Fahrer

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Tamara Heck für OERinfo – Informationsstelle OER.

OER009: OER in der Wissenschaftspraxis

Dr. Sandra Schön, Foto von Werner Moser | Salzburg Research 2014 unter CC BY 3.0. DE
Dr. Sandra Schön, Foto von Werner Moser | Salzburg Research 2014 unter CC BY 3.0. DE

Podcast mit Dr. Sandra Schön, Senior Researcher bei Salzburg Research

„Ich bin als Pädagogin eine latente Weltverbesserin – und da gehört der Zugang zu freiem Wissen einfach dazu,” sagt Dr. Sandra Schön. Sie ist Forscherin bei Salzburg Research und eine der Initiatoren von L3T, dem Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien. L3T gilt gemeimhin als das Vorzeigeprojekt zu OER im Hochschulbereich.

In der Diskussion um OER sieht Sandra Schön nicht nur die Debatte einer Filterbubble, sondern einen größeren Trend. Sie hofft auf politische Unterstützung als Katalysator. Öffentliche Einrichtungen sollten ihrer Meinung nach auch Material erstellen, das der Allgemeinheit zugute kommt: „Wenn ich die Brille als Steuerzahlerin aufsetze, muss ich sagen: Wenn jemand in einer öffentlichen Einrichtung arbeitet und von meinen Steuermitteln bezahlt wird, da erwarte ich, dass der auch etwas macht, was der Allgemeinheit zugute kommt.” Sie kann sich gut vorstellen, dass es bei Projektförderungen zum Standard wird, dass erarbeitete Inhalte als OER veröffentlicht werden müssen. Und nicht nur das: „Der übernächste Schritt könnte sein: ‘Wenn Sie ein Projekt bei uns machen wollen, dann ist die Auflage aber, dass Sie auf OER zurückgreifen, das es schon gibt.’” Weiterlesen >