Offene Bildungsressourcen fördern den freien Zugang zu Wissen, unterstützen innovative Lehr- und Lernmethoden und sind daher heute längst unverzichtbar geworden. Doch in der Rechtswissenschaft bleiben sie bisher eine Ausnahme. Das Verbundprojekt VEStOR und der Verein OpenRewi e.V. möchten dies ändern.

Ein Beitrag von Anja Lindemann
Mit der 2020 gegründeten Initiative OpenRewi e.V. haben es sich Nachwuchswissenschaftler*innen der Rechtswissenschaft zur Aufgabe gemacht, die juristische Bildungslandschaft zu öffnen, um die Transformation zu Open Access und offenen Bildungsmaterialien voranzubringen und ein nachhaltiges OER-Ökosystem in der Rechtswissenschaft aufzubauen. OpenRewi unterstützt dabei Autor*innen und Herausgeber*innen bei der Erstellung ihrer kollaborativen Publikationsprojekte. Neben dem freien Zugang sind die uneingeschränkte Nachnutzbarkeit, eine hohe inhaltliche Qualität, Aktualität und Veränderbarkeit entscheidende Grundsätze. Ein eigenes Diversity-Konzept soll zudem die größtmögliche Vielfalt innerhalb der Projekte gewährleisten.
Im Oktober 2024 hat OpenRewi die jurOA – eine Fachtagung für Open Access und Open Science in der Rechtswissenschaft – mit dem Thema „Von Open Access zu Open Science: das transformative Potenzial der Digitalisierung für eine Öffnung der Rechtswissenschaft und das Urheberrecht“ organisiert und veranstaltet. In Formaten wie „Perspektiven“ oder „Insights“ wurden Wissenschaftler*innen und Projekte eingeladen, sich vorzustellen und ihre Ideen dem Fachpublikum zur Diskussion zu stellen.
Verbundprojekt VEStOR unterstützt OpenRewi – für eine offene Rechtswissenschaft
Im Rahmen einer Vortragssession zu OER-Projekten wurde das Drittmittelprojekt VEStOR vorgestellt, das den Verein OpenRewi seit 2024 unterstützt und mit diesem in engem Austausch steht. VEStOR wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Zeitraum von Januar 2024 bis Dezember 2026 gefördert. Das Akronym „VEStOR“ steht für „Vernetzung, Erweiterung und Stärkung der OER Community OpenRewi“ und verweist auf die gleichnamige Zielsetzung der Förderlinie „OE_COM“. VEStOR wird als Verbundprojekt an der Fachhochschule Potsdam (FHP) und an der Leibniz Universität Hannover (LUH) umgesetzt.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Ellen Euler konzentriert sich das Teilprojekt an der FHP auf die praktischen Aspekte der Community-Erweiterung und -Stärkung, einschließlich der Professionalisierung der Organisation, des Ausbaus von Infrastruktur- und Serviceangeboten sowie der Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle. Durch gezielte Wissenschaftskommunikation mithilfe einer visuellen Identität und einer umfassenden Kommunikationsstrategie sollen die Sichtbarkeit und Akzeptanz von OER in der Rechtswissenschaft erhöht werden. Parallel dazu widmet sich das Team an der LUH unter der Leitung von Prof. Dr. Nikolas Eisentraut der rechtsdidaktischen Forschung und untersucht die Rolle künstlicher Intelligenz bei der Erstellung und Nutzung juristischer OER.
VEStOR adressiert die gesamte rechtswissenschaftliche Fachgemeinschaft in Deutschland. Dazu zählen juristische Fachkräfte wie Professor*innen, Dozierende und Wissenschaftler*innen, Bildungseinrichtungen, Studierende und Förderinstitutionen. Im weiteren Sinne zählen natürlich auch Öffentlichkeit und Medien, technologische Dienstleister und Partner sowie die interne Community of Practice von Open Rewi zu den Interessengruppen.
VEStOR möchte mit den Zielen, frei zugängliche Bildungsressourcen in der Rechtswissenschaft flächendeckend zu etablieren und eine Community of Practice aufzubauen, einen bedeutenden Beitrag für die offene, digitale Bildung leisten. Durch Kooperationen zwischen verschiedenen OER-Initiativen wird die Rolle von OER in der juristischen Ausbildung nachhaltig gestärkt. Im Rahmen der Tagung wurde hierzu auch das OpenRewi-Lehrbuch „Public International Law“ als ein praxisnahes Beispiel für juristische OER vorgestellt, das die Innovationskraft und den praktischen Nutzen solcher offenen Bildungsressourcen eindrucksvoll unterstreicht.
KidRewi erforscht den Kulturwandel in der Rechtswissenschaft
In einem weiteren Tagungsblock der jurOA wurden die Rahmenbedingungen für „Open Science und Open Access als Elemente guter wissenschaftlichen Praxis“ beleuchtet. Wie ein Kulturwandel hin zu mehr Offenheit in der Rechtswissenschaft gelingen kann, wird im Projekt „KidRewi“ beforscht, das ebenfalls an der FHP verortet und – wie VEStOR – in eine größere Openness-Projektfamilie eingebettet ist. Die dadurch entstehenden Synergieeffekte und den Aufbau von Wissen machen sich die Projekte für ihre jeweiligen Ziele zu Nutzen. Eine derart enge Verzahnung ist selten und stellt hier eine Besonderheit dar.
Fishbowl-Diskussion: Zukunft der Publikationsinfrastruktur in der Rechtswissenschaft
Neben Vorträgen und Workshops auf der jurOA zu rechtssicheren Finanzierungsmodellen für Diamond Open Access, also dem Open-Access-Publizieren ohne Kosten für Autorinnen und Autoren, oder dem verständlichen Aufbereiten und Präsentieren juristischer Inhalte wurden auch das Urheberrecht als Innovationsbremse und neue Formate wie OA-Kommentare und Blogs diskutiert.
Die Tagung schloss mit einer Fishbowl-Diskussion, in der über die Frage diskutiert wurde, auf welche Publikationsinfrastruktur die Rechtswissenschaft zusteuert. Es zeigte sich, dass das Peer-Review-Verfahren in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Ebenso zeichnete sich ein Konsens darüber ab, dass auch der Ansatz von Diamond Open Access von Bibliotheksverlagen für die zukünftige Publikationsinfrastruktur von Bedeutung sein wird. Die jurOA-Tagung bot somit eine Plattform für wissenschaftlichen Austausch, Vernetzung und Engagement für freies Wissen in der Rechtswissenschaft.
