Wissenstransfer – Expertinnen im Portrait: Wiebke Hoffmann, Dr. Margarete Remmert-Pieper und Dr. Christiane Grill

Im Interview zur Publikation „Future Skills for Openness / Ein Framework zur Förderung von Offenheit in Wissenschaft und Wirtschaft“

Wiebke Hoffmann, Programm Managerin, innOsci; Dr. Margarete Remmert-Rieper, Senior Consultant, Tutech Innovation GmbH und Dr. Christiane Grill, Projektmanagerin, Ludwig Boltzmann Gesellschaft im Interview zur Publikation „Future Skills for Openness / Ein Framework zur Förderung von Offenheit in Wissenschaft und Wirtschaft“.

Collage von Wiebke Hoffmann, Dr. Margarete Remmert-Rieper und Dr. Christiane Grill im Portrait
Wiebke Hoffmann, Dr. Margarete Remmert-Rieper und Dr. Christiane Grill, Collage: Susanne Grimm, nicht unter freier Lizenz

OERinfo: Wo liegen Ihre Arbeitsschwerpunkte und -interessen?

Wiebke Hoffmann: Meine Arbeitsschwerpunkte als Programm Managerin bei innOsci, dem Forum für offene Innovationskultur des Stifterverbandes im Bereich Future Skills, liegen bei der Qualifizierung von Akteur*innen für Open Science und Open Innovation Prozesse. Dabei beschäftige ich mich vor allem mit der Frage, wie eine neue und offene Innovationskultur aussehen kann. Wir befinden uns in einer Zeit voller Komplexität und Unsicherheit. Daher braucht es neue, radikale Formen der Zusammenarbeit mit unüblichen Wissensgeber*innen, um Innovation voranzutreiben und Veränderung proaktiv zu gestalten. Dafür braucht es wiederum ein gewisses Mindset, Skillset und auch Toolset. Wie können wir Menschen qualifizieren, begeistern, ermutigen und empowern, neue Wege zu gehen? Dieser Frage folgt meine Leidenschaft.

Dr. Margarete Remmert-Rieper: Mich hat es schon immer gereizt, das Wissen aus den Hochschulen in die Gesellschaft und die Wirtschaft zu bringen und dabei als Vermittlerin und Übersetzerin zu agieren. Mir liegt die Vernetzung unterschiedlicher Akteur*innen sehr am Herzen und damit bin ich bei Tutech Innovation, der Technologietransfer-Einrichtung der Technischen Universität Hamburg (TUHH) genau richtig. Mein Arbeitsschwerpunkt ist die Beratung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zu Innovations- und Nachhaltigkeitsmanagement, und Wissenschaftler*innen in europäischen Kooperationsprojekten.

Dr. Christiane Grill: Ich habe es schon immer spannend gefunden, wie man Bürger*innen in demokratische Entscheidungsprozesse einbinden kann. Am Open Innovation Science (OIS) Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft in Wien beschäftige ich mich damit, wie Stakeholder aktiv in die Forschung eingebunden werden, sodass gemeinsam sozial robustes Wissen auf verantwortungsvolle Art und Weise gemeinsam produziert wird, um dadurch die gesellschaftliche Wirkung wissenschaftlicher Forschung zu fördern. Insbesondere berate ich hier Wissenschaftler*innen, wie sie Stakeholder bereits in der ersten Phase des Forschungsprozesses, wenn entschieden wird, was genau erforscht wird, einbinden können.

OERinfo: Wodurch wurde Ihr Interesse an Open Innovation und Open Science geweckt? Was motiviert Sie?

Wiebke Hoffmann: Einerseits motiviert mich die Tatsache, dass die grand challenges und wicked problems der heutigen Zeit einfach nicht mehr mit den bisher gängigen Praktiken und in Silos bewältigt werden können und neue Formen der Zusammenarbeit und Innovation dringend benötigt werden. Da mein Fokus auf den Gelingensbedingungen im Zwischenmenschlichen liegt, ist meine Motivation eine Art Übersetzungsleistung anzubieten, die die Kommunikation zwischen Organisationen und Menschen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Perspektiven und Interessen ermöglicht. Ich sehe meine Aufgabe darin, Räume zu schaffen und zu halten, in denen diese Kommunikation stattfinden kann, und Menschen zu befähigen, solche Räume zukünftig selbst zu gestalten. Dabei ist es meines Erachtens sehr wichtig, sich konkrete Tools und Wissen anzueignen wie z.B. Systems Mapping, Crowdsourcing oder Wissen um IP-Rechte.

Gleichzeitig dürfen wir uns nicht hinreißen lassen zu glauben, Haltungen und Fähigkeiten wie Empathie, Offenheit, Integrationskompetenz, Selbstreflexion, Konfliktfähigkeit usw. (siehe Framework) würden sich schon „nebenbei“ und „von allein“ ausbilden. Sie müssen ganz bewusst in Organisationen gefördert und gelebt werden, damit wir ein nachhaltiges (offenes) Innovationssystem aufbauen können. Und die Beschäftigungen mit der Frage „Was brauchen wir Menschen, um Transformation zu gestalten?“ begeistert und motiviert mich sehr.

Dr. Margarete Remmert-Rieper: Mich fasziniert, wie viel mehr Ergebnisse möglich sind, wenn man mit einer Vielfalt von Wissensgeber*innen zusammenarbeitet. Open Innovation und Open Science sind Konzepte, in denen Menschen gemeinsam einen Rahmen schaffen, um dieses Fruchtbarmachen von geteiltem Wissen gut und vertrauensvoll zu ermöglichen. Mich motiviert dabei vor Allem, meine Erfahrungen mit den Praktiker*innen aus den KMU einzubringen.

Dr. Christiane Grill: Die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit können nur gemeinsam von Wissenschaft und Gesellschaft gelöst werden. Ein Ansatz, um diese großen Herausforderungen unserer Zeit zu identifizieren und auch nachhaltig zu bewältigen, ist eben Open Innovation in Science. Dabei dient die Öffnung von Forschungsprozessen keinem Selbstzweck. Vielmehr ermöglicht die Anwendung von OIS unter Berücksichtigung bestimmter Bedingungen und in Abstimmung auf die jeweilige wissenschaftliche Herausforderung Vorteile für die Wissenschaft (z.B. neuartige Erkenntnisse, effizientere Prozesse, höherer Impact) als auch für die Gesellschaft (z.B. Beforschung von gesellschaftlich relevanten Themen, stärkere Annäherung von Wissenschaft und Gesellschaft).

OERinfo: Auf welcher Grundlage haben Sie sich für den gewählten Ansatz entschieden? Bitte beschreiben Sie den methodologischen Zugang näher?

Wiebke Hoffmann: Wir bei innOsci haben uns gefragt, welche Kompetenzen oder Skills Menschen aus unterschiedlichen Sektoren brauchen, um in Open Innovation oder Open Science Prozessen erfolgreich handeln zu können. Da wir einen partizipativen Ansatz verfolgen, war klar, dass wir diese Frage gemeinsam mit unserer Community beantworten wollten. Daher haben wir ein sogenanntes innOsquad gegründet, also eine Expert*innengruppe aus diversen Branchen und Sektoren, die sich alle mit den Themen Open Innovation, Open Science und/ oder Qualifizierung/ Kompetenzentwicklung befassen.

Wir sind dann mit einer groben „Forschungsfrage“ gestartet, wobei es sich eher um einen kritischen Blick auf diverse Studien durch unsere Praxis-Brillen handelt, die letztlich in eine Art Praxis-Guide eingeflossen ist. Die Schärfung der Frage und das konkrete Projekt-Design wurden dann im innOsquad entwickelt und vorangetrieben. Wir haben den Prozess bewusst offen gehalten, in Bezug auf Design und Ergebnis, um uns dem anzuvertrauen, was da entstehen wollte.

Zusammengefasst kann man es aber so beschreiben: Dem Projektdesign liegt ein explorativer Ansatz zugrunde, der auf eine Kombination aus deduktiver Ermittlung relevanter Kompetenzen und induktiver Entwicklung eines Kompetenz Frameworks abzielte.

Dr. Margarete Remmert-Rieper: Dieser ergebnisoffene Ansatz ist aus meiner Wahrnehmung ein Learning by Doing, es passt sehr gut zu einem Projekt, das mehr Offenheit katalysieren möchte, es ist auch ein Experiment und, bei positivem Ausgang des Experiments, ein Beleg dafür, dass Offene Innovation und Offene Wissenschaft funktionieren kann. Im innOsquad haben wir dann zunächst eine Arbeitsweise und den Rahmen festgelegt, unser Wissen zusammengetragen und es in zahlreichen Iterationen in das Framework überführt. Das war kein gradliniger Prozess, wir haben uns das immer wieder von allen Seiten angesehen.

OERinfo: Welche Erkenntnisse konnten Sie gewinnen?

Wiebke Hoffmann: Vor allem: Mindset is key! Durch eine erweiterte Achtsamkeit und (Selbst)Reflexionsfähigkeit, durch die Fähigkeit, Komplexität willkommen zu heißen, Diversität einzuladen und nicht nur auszuhalten, neue Methoden der Kollaboration und eine Haltung der Offenheit entsteht eine neue Handlungsfähigkeit. Darum ist dieser Beitrag vor allem eine Anleitung zur Handlungsfähigkeit in offenen Prozessen. Und es braucht eine Community of Practice, die eine offene Innovationskultur vorlebt und vorantreibt.

Dr. Margarete Remmert-Rieper: Eine wichtige Erkenntnis für mich ist wieder einmal, wie viel man gemeinsam schaffen kann, wenn man offen, neugierig und wertschätzend an die Ideen und Sichtweisen der anderen herangeht. Ich persönlich habe mein intuitives Wissen über Kompetenzen und Fähigkeiten auch auf breitere theoretische Füße stellen können. Es ist sehr wichtig und eine große Bereicherung, die anderen wirklich verstehen zu wollen und auch die jeweiligen Begrifflichkeiten kennen zu lernen. Wichtig ist für mich auch die Erfahrung, wie viel Vertrauen wir zueinander aufbauen konnten durch das miteinander arbeiten, obwohl wir uns – coronabedingt – nicht ein einziges Mal real treffen konnten.

OERinfo: Welche weiteren Fragen und Handlungsansätze haben sich daraus ergeben?

Wiebke Hoffmann: Eine weitere spannende Frage, die wir zum Teil schon im Framework versuchen zu beantworten, ist: Wie fördere ich denn z.B. Empathie, Kreativität, Problemlösefähigkeit, etc. innerhalb der Organisation und wie messe ich das?

Dr. Margarete Remmert-Rieper: Für mich bleibt die offene Frage, wie weit wir wirklich die Vielfalt an Wissensgeber*innen erreichen und repräsentieren. Welche – berechtigten und unberechtigten – Befürchtungen und/oder Einwände haben wir übersehen? Wo sind wir – bei aller Unterschiedlichkeit – doch in unseren Kreisen geblieben? Wie weit dringen wir mit dieser Publikation über unsere Community hinaus?

Dr. Christiane Grill: Durch das Framework „Future Skills for Openness“ stellt sich für uns am Open Innovation in Science Center die Frage, wie wir ein Mindset für Offenheit unter unseren Wissenschaftler*innen befördern können. Welche Implementierungs- und Trainingsaktivitäten müssen wir anbieten, sodass wir offene und kollaborative Forschungspraktiken unter Einbindung von Stakeholdern fördern und vor allem nachhaltig in der Forschungslandschaft verankern können?

 

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Die Namen der Urheberinnen sollen bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Wiebke Hoffmann für innOsci, Dr. Margarete Remmert-Rieper für Tutech Innovation GmbH, Dr. Christiane Grill für Ludwig Boltzmann Gesellschaft.

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