OER-Forschungsprojekt EduArc

Das DIPF koordiniert seit 2018 gemeinsam mit externen Kooperationspartnern einen Teil des Projekts EduArc. Das Projekt befasst sich mit den Herausforderungen, die sich mit der Verbreitung von OER im Hochschulkontext ergeben. OERinfo hat Sylvia Kullmann und Johannes Hiebl nach der Hälfte der Projektlaufzeit zu ihren bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen interviewt.

OERinfo: Was möchtet ihr mit eurer Forschung erreichen?

Johannes Hiebl: Versuchen wir es mit einem Vergleich zu erklären: Ein Gleisnetz ist die notwendige Bedingung dafür, dass Züge Fahrgäste von A nach B transportieren können. Dafür braucht es Gleisnetz, Züge und Fahrgäste gleichermaßen. Beim Praktizieren von OER haben wir zwar bestehende Infrastrukturen, also das Gleisnetz. Aber das allein bringt nichts ohne fahrende Züge und Fahrgäste. Wir wollen die Fahrgäste, also die Lehrenden, dazu ermutigen, die Infrastruktur auch zu nutzen. Dafür müssen wir zunächst herausfinden, was die Hürden dabei sind und wie man sie meistern kann.

Es geht also um die Gelingensbedingungen für eine simple Nutzung offener Bildungsressourcen. Eines der Arbeitspakets des vielschichtig angelegten Projekts EduArc will u.a. herausfinden, wie die konkreten Bedingungen zur Nutzung von OER durch Strukturen im Hochschulkontext verbessert werden können.

OERinfo: Warum brauchen wir das?

Sylvia Kullmann: Nehmen wir die Erklärung der UNESCO 2002 als Ausgangspunkt für die OER-Bewegung, dann hat sich seitdem zwar einiges getan, das Modell ist in Deutschland aber noch nicht so angekommen wie in anderen Ländern. Wir fragen deswegen, wie das Modell OER durch bestehende Infrastrukturen umgesetzt werden kann. In EduArc fragen wir danach, wie die Auffindbarkeit und Nutzung von OER so verbessert werden kann, dass sie der Arbeitsweise an Hochschulen entspricht. Dafür schafft EduArc eine Metastruktur, die u.a. ein einheitliches Vokabular für die verbesserte Auffindbarkeit ermöglicht.

Wir wollen auch herausfinden, inwiefern diese Infrastrukturen tatsächlich genutzt werden. Unsere Vermutung ist, dass es ein Mismatch gibt zwischen der Art und Weise, wie Bildungsressourcen hergestellt werden und wie die bestehenden Infrastrukturen dies ermöglichen. Denn in Studien gaben Lehrende bisher oft an, dass sie das OER-Modell zwar vielversprechend finden, es jedoch aufgrund eines Mangels an Zeit und Know-How nicht nutzen. Die Lizenzierung und Tools sind meist komplex und das schreckt viele ab.

Außerdem geschieht die Herstellung von OER in Deutschland auf freiwilliger Basis und da die Publikation eines Lehrbuchs angesehener und finanziell höher gestellt ist, als offene Ressourcen zu kreieren, sehen einige Lehrende keine Vorteile in der Erstellung von OER. In den USA werden deswegen aktiv Stellen geschaffen. Wenn wir herausfinden, was genau Lehrende davon abhält, OER zu nutzen, können wir im nächsten Schritt überlegen, wie das OER-Modell, besonders hinsichtlich der 5R und des FAIR-Prinzips („Findable, Accessible, Interoperable, Re-usable“), angepasst werden kann, damit es einfacher zu nutzen ist. Wir brauchen nämlich eine Sicht auf das ganze Modell und nicht noch eine Anwendung, für man sich registrieren muss.

OERinfo: Wie soll dieses Ziel erreicht werden?

Johannes Hiebl: Wir führen in EduArc u.a. qualitative Expert:inneninterviews durch, bei der wir aus wissenssoziologischer Perspektive Hochschullehrende befragen, wie sie (offene) Bildungsressourcen erstellen, um das bereits skizzierte Mismatch besser zu verstehen. Denn die Infrastrukturen z.B. von ZOERR oder der Deutschen Digitalen Bibliothek sind schon sehr genau auf ihre Zielgruppen ausgerichtet. Wir stehen für EduArc intern und extern im Austausch und organisieren Workshops, z.B. zu Metadaten. Diese Erkenntnisse sollen schließlich in einem Gestaltkonzept dargestellt werden.

OERinfo: Was ist dabei die größte Hürde?

Johannes Hiebl: Die Bereitschaft an den Interviews teilzunehmen ist notwendig. Noch besser wären tatsächlich Beobachtungen an der Hochschule und bei der Entwicklung von Infrastrukturen. Das ist aber ein erheblich höherer Zeitaufwand und auch aufgrund von Corona nicht umsetzbar. Die Hürden beim Forschen selbst sind somit gering, aber es ist fraglich, ob unsere Erkenntnisse dann auch in Praxis und Politik umgesetzt werden. Dabei fehlt uns einfach eine Maßeinheit, um das Gelingen und die Nutzung von OER konkret auszudrücken.

OERinfo: Wie kann die Forschung in die Praxis getragen werden? Was kann daraus entstehen?

Sylvia Kullmann: Die Ergebnisse unserer Interviews können im nächsten Schritt durch eine empirische Befragung umgesetzt werden, um Informationen zur OER-Nutzung im großen Maßstab zu erfassen. Um aus Best-Practice- Beispielen Erkenntnisse zu ziehen, wäre außerdem der Blick auf Umgang und Nutzung von OER in anderen Ländern sinnvoll. Unsere Forschung hat das Potential, OER als Modell so zu verändern, dass es nutzbarer wird.

Sylvia Kullmann ist Informationswissenschaftlerin und verantwortet den Bereich Technik und Metadaten im Projekt EduArc. Johannes Hiebl, von Haus aus Soziologe, promoviert in EduArc zu Herstellungspraktiken für Bildungsinfrastruktursysteme im Hochschulbereich. Gemeinsam mit Prof. Marc Rittberger lehren die beiden im Masterstudiengang Informationswissenschaft zum Thema Informationsqualität in offenen Bildungsstrukturen. Celestine Kleinesper hat sie zu ihrem Forschungsvorhaben im Projekt EduArc interviewt.

 

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name der Urheberin soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Celestine Kleinesper für OERinfo – Informationsstelle OER. und Johannes Hiebl und Sylvia Kullmann für

"CreativeDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name der Urheberin soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Celestine Kleinesper für OERinfo – Informationsstelle OER. und Johannes Hiebl und Sylvia Kullmann für EduArc.

 

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