Lehrende im Portrait: Anna Donadell

Anna Donadell unterrichtet am St.-Ursula-Gymnasium in Attendorn die Fächer Deutsch und Latein. Darüber hinaus ist sie in der Lehrkräftefortbildung in Nordrhein-Westfalen in den Bereichen Medienberatung und digitale Transformation tätig. Im Interview beschreibt Sie ihren persönlichen Weg der Annäherung an das Thema OER.

Anna Donadell, Foto: privat, nicht unter freier Lizenz

OERinfo: Wodurch wurde Ihr Interesse an Open Educational Resources (OER) und Open Educational Practices geweckt? Was motiviert Sie?

Anna Donadell: Die Formulierung „Interesse an OER“ trifft es, zumindest was meinen Erstkontakt mit Open Educational Resources und Practices angeht, nicht ganz. Ich würde eher sagen, dass es sich zunächst um eine Art Notwendigkeit gehandelt hat, mich intensiver mit OER auseinanderzusetzen.

Das hat sich im Rahmen meiner Tätigkeit in der Lehrkräftefortbildung und auch durch meine aktive Präsenz auf Twitter bzw. genauer im #Twitterlehrerzimmer (#twlz) ergeben. Da ich sowohl eigene Materialien erstelle, die ich im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und/oder im digitalen Raum weitergeben möchte, als auch auf Twitter immer wieder auf Materialien gestoßen bin, die zur Weitergabe unter bestimmten Bedingungen veröffentlicht worden sind – und die ich auch teilweise schon selbst weiterverwendet habe -, bin ich überhaupt auf OER aufmerksam geworden. Bzw. habe ich auch für mich die Relevanz von offenen Bildungsmaterialien, aber auch der Lizenzierung meiner Materialien gesehen.

In der Veröffentlichung und Weitergabe von Materialien, also dem Teilen von eigenen Ideen und deren praktischen Umsetzung (im #twlz wird in diesem Zusammenhang auch gerne #sharingiscaring gebraucht), liegt dann letztendlich auch meine Motivation. Zudem möchte ich gerne auch das von mir erstellte Material vor Missbrauch schützen. Ebenso ist mir ein gewisses Urheberrecht ein Anliegen, nämlich dass meine Ideen, die ich kostenlos anbiete, nicht einfach geklaut und von anderen als die eigenen verkauft werden. So habe ich es mir mittlerweile zur Gewohnheit gemacht, selbst die Materialien, die ich zur Weitergabe im Kollegium erstelle, mit einer CC-Lizenz zu versehen.

OERinfo: Was bedeutet Lehren für Sie? Was ist Ihnen dabei auch im Sinne der Offenheit wichtig? Was sind Ihre Ziele als Lehrende?

Anna Donadell: Lehren bedeutet für mich, Inhalte möglichst anschaulich und nachhaltig zu vermitteln. Dabei unterscheidet sich die Art und Weise des Lehrens in der Schule aber ein wenig von der in der Erwachsenenbildung. In beiden Fällen möchte ich aber auch auf einen Fundus von Materialien zurückgreifen können, aus dem ich dann auswählen, dessen Inhalte ich weiterverarbeiten und die daraus entstandenen Produkte dann auch rechtssicher an mein Publikum weitergeben kann. Für den Unterricht bietet mir das je nach Jahrgangsstufe ein gutes Lehrwerk mit entsprechendem Zusatzmaterial. Oder aber ich habe Kopiervorlagen oder eigene Arbeitsblätter entworfen, die ich nutzen kann.

Allerdings möchte ich auch, dass meine Inhalte zeitgemäß sind, sodass ich auch immer wieder über den genannten Materialfundus und die meist analogen Formen hinaus auf andere Formate, wie aktuelle Videos, Audios, (Schau)Bilder etc. zurückgreife. Damit trage ich den Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung Rechnung. Denn anders als vor ein paar Jahren noch, als sich die Suche nach Unterrichtsmaterialien mehr oder weniger auf die analogen Unterlagen beschränkt hat, stehen uns Lehrenden heutzutage Informationen und Wissen in allen Formaten quasi in unbegrenztem Maße zur Verfügung.

Das bedeutet auf der einen Seite eine enorme Arbeitserleichterung, da ich z. B. passende Folien, Tafelbilder, Infografiken, Arbeitsblätter im Netz schnell finden kann. Andererseits besteht aber auch eine Gefahr darin, dass ich nicht immer genau weiß, ob und welche Ressourcen ich im Bereich der Fortbildung oder auch in der Schule legal nutzen kann. OER bieten mir dahingehend Sicherheit. Ebenso erhöht OER die Transparenz im Umgang mit fremden Materialien. Man könnte sogar so weit gehen und sagen, dass sich die Unterrichtspraxis und auch die Lehre in einer Kultur des Teilens und der Kollaboration (immer auf der Basis des digitalen Wandels gedacht) dahingehend verändern, dass sie agiler und offener werden.

OERinfo: Als Lehrende sind Sie natürlich immer auf der Suche nach guten OER. Wo werden Sie fündig und nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Materialien aus?

Anna Donadell: Tatsächlich bin ich bisher immer auf Twitter im #twlz fündig geworden, wenn ich mich auf der Suche nach Material zu einem ganz bestimmten Thema an die Community gewandt habe. Dort teilen mittlerweile sehr viele User*innen ihre Materialien, indem sie sie unter Verwendung von CC BY-Lizenzen zur Weiterverarbeitung einstellen. Diese habe ich mir abgespeichert und konnte dann während der Vorbereitung meiner eigenen Fortbildungen Passendes auswählen.
Ansonsten habe ich mich darüber hinaus, das muss ich gestehen, bisher noch relativ selten auf die Suche nach frei lizenzierten Bildungsmaterialien im WWW gemacht. Grundsätzlich aber habe ich mir vorgenommen, mich beispielsweise über das OERhörnchen in diese Richtung auf den Weg zu machen. Dort lassen sich neben der Suchfunktion auch weiterführende Links zu anderen OER-Projekten finden.

Da es bisher auch nicht die eine Anlaufstelle für frei lizenzierte Materialien gegeben hat – mittlerweile werden aber immer mehr Plattformen wie zum Beispiel WirLernenOnline (WLO) ins Leben gerufen -, sah meine Suche nach passenden Materialien eher so aus, dass ich herumgestöbert habe und die ein oder andere Suchmaschine ausprobierte. Einfach, weil ich mich zunächst weniger mit den Inhalten, sondern vielmehr mit den Rahmenbedingungen auseinandersetzen musste, um einen Überblick zu gewinnen und um mich wohlzufühlen.

Ich glaube, dass es hierbei, ähnlich wie bei anderen Materialrecherchen und Suchstrategien darauf ankommt, sich die Zeit zu nehmen, eigene Wege zu finden um die individuell passenden und geeigneten Materialien zu finden. Auch wenn das heißt, sich zunächst auf eine oder wenige Suchmaschinen, wie die oben genannte, zu konzentrieren. OER und die Suche danach soll ja nicht überfordern, sondern im Gegenteil helfen und unterstützen.

OERinfo: Wie binden Sie OER in den Unterricht ein?

Anna Donadell: Gerne nutze ich OER im Original oder auch im Remix in meinem Unterricht, sobald ich thematisch passende Materialien, Videos, Kurse oder Bücher gefunden habe. Ich halte es aber auch für unabdingbar, den Schüler*innen etwas über Urheberrechte und Lizenzierung mit auf den Weg zu geben, und damit auch OER selbst zum Unterrichtsgegenstand zu machen. So habe ich bereits Erklärvideos zum Thema Urheberrecht erstellt. Damit ist eine erste Aufklärung mit Blick auf die wichtigste Eigenschaft von OER geleistet, nämlich der urheberrechtlichen Freigabe. Der nächste Schritt wird dann sein, von Schüler*innen erstellte Materialien mit den richtigen Lizenzen zu versehen, um sie im Netz zu teilen.

OERinfo: Wie gestaltet sich bei Ihnen die Erstellung und Verbreitung von OER?

Anna Donadell: Ich nehme mir die inhaltliche Aufbereitung eines Themas vor. Finde ich etwas, was in Form und Inhalt etwa dem entspricht, was ich mir vorstelle und was auch zu dem Rahmen passt, in dem ich die Materialien einzusetzen gedenke, dann ist es unkompliziert. Ansonsten sammle ich Informationen zu einem bestimmten Thema, die ich zunächst sichte, um sie dann in eine Form zu bringen, die meinem Vorhaben und meinen Bedürfnissen entspricht. Da ich zumeist meine Materialien über den schulischen Bezugsrahmen hinaus auch auf Twitter teile, ergänze ich am Ende des Schaffensprozesses eine CC-Lizenz (meistens CC BY(-SA) 4.0) auf dem Material. Da ich bisher auf OER-Plattformen selbst noch nicht so häufig nach Ressourcen gesucht habe, wäre das ein nächster gangbarer Schritt.

OERinfo: Wird die Erstellung und Verbreitung von OER schulintern auf Leitungsebene unterstützt?

Anna Donadell: Das wird sie in jedem Fall! Momentan gehen wir erste Schritte, was die Kollaboration und den Austausch über unsere schulische Lernplattform angeht. Das, was vorher noch im analogen Format in Ordnern abgelegt worden ist, sammeln wir jetzt auch in fachspezifischen Gruppen in unserer Cloud. Der nächste Schritt wird dann sein, eigene Materialien oder auch andere Formate, wie Videos, Audios, digitalisierte Konzepte etc. nicht nur in einem Begleitschreiben als frei weiternutzbar auszuweisen, sondern über eine eindeutig definierte urheberrechtliche Freigabe beispielsweise in Form von CC-Lizenzen. Dann ist auch der Weg dafür bereitet, die selbst erstellten Bildungsmaterialien einer Öffentlichkeit freizugeben.

OERinfo: Welche Plattformen z. B. für Bild oder Sound empfehlen Sie Ihren Lernenden für die Produktion von Schulprojekten?

Anna Donadell: Da ich die Erfahrung gemacht habe, dass meine Schüler*innen noch sehr unsicher sind, was die Suche nach nicht-kommerziellen und frei lizenzierten Bildern angeht, habe ich jüngst Infografiken dazu erstellt, um ihnen einen Leitfaden an die Hand zu geben. Dieser empfiehlt z. B. Unsplash, Wikimedia Commons und die Bildersuche über Google, mit Einstellung der Nutzungsrechte auf Creative Commons über den Suchfilter .
Falls die Schüler*innen Audios, Sounds oder auch Musik für Schulprojekte suchen, empfehle ich ihnen z. B. CC Mixter oder Freesound.

OERinfo: Was würden Sie Lehrenden in der Ausbildung mit auf den Weg geben wollen?

Anna Donadell: Nutzt die Gelegenheiten, die sich im Rahmen des Studiums, der Seminarzeit oder auch im schulischen Rahmen ergeben, gemeinsam Unterrichtsmaterialien zu erstellen, sie untereinander auszutauschen, macht diese Materialien aber auch anderen zugänglich.

Diese Materialien müssen nicht perfekt sein, aber sie dienen möglicherweise anderen zur Weiterarbeit oder aber zur kritischen Auseinandersetzung mit den präsentierten Inhalten. Holt euch selbst über Plattformen Anregungen, fragt z. B. auf Twitter nach Hilfe und/oder nach Material zu einem bestimmten Thema, seid offen und arbeitet transparent, vernetzt euch mit anderen. Nutzt, wenn ihr die Möglichkeit habt, Fortbildungsangebote im Bereich OER und setzt euch mit der Lizenzierung von Materialien auseinander. Als Einstieg in die Thematik bietet sich z. B. Das OER-Buch: Freie Unterrichtsmaterialien finden, rechtssicher einsetzen, selbst machen und teilen an.

Im Rahmen der Lehrkräfteausbildung sollte zu diesem Thema auf jeden Fall auch eine oder auch mehrere Sitzungen gestaltet werden. Lehrkräfte im 21. Jahrhundert sollten nicht nur selbst fit sein im Umgang mit frei lizenzierten Bildungsmaterialien, sie sollten auch fähig sein, andere Menschen, d. h. ihre Schüler*innen in dieser Thematik fit zu machen.

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name der Urheberin soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Anna Donadell

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