Dr. Jens Brandenburg MdB, parlamentarischer Staatssekretär, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellte, am 29. Juli 2022 im Rahmen einer hybriden Veranstaltung, die von der OER-Community seit langem erwartete Open Educational Resources-Strategie (OER-Strategie) der Bundesregierung vor.
Das BMBF holte sich zur Ausarbeitung ihrer OER-Strategie, in einem zweistufigen Verfahren (Februar bis April 2021) anhand schriftlicher Einreichungen und online durchgeführter Diskussions- und Konsultationsveranstaltungen Input von Expert*innen zu drei Themenbereichen: Mensch, Technik und Gesellschaft. Im Themenbereich “Mensch” adressierte es u.a. die Zugänglichkeit von Bildungsprozessen und die notwendigen Kompetenzen von Lehrenden und Lernenden. “Technik” bezog sich auf die Infrastruktur, die es nachhaltig ermöglichen soll, OER in der Breite verfügbar und nutzbar zu machen. Welche gesellschaftlichen Theorien mit OER einhergehen und wie OER weitere Diskurse verändert, wurde im Themenbereich “Gesellschaft” behandelt.
Die OER-Strategie des Bundes: Handlungsziele und -felder
Mit der OER-Strategie als lernende, langfristige Strategie will das BMBF (…) zum einen mit allen Akteuren Antworten und Konzepte zu zentralen Fragen digitaler Bildungsmaterialien entwickeln. Zum anderen zielt das BMBF darauf, zusätzliche und nachhaltige Impulse in der digitalen Bildung und für eine insgesamt veränderte Lehr- und Lernkultur zu setzen. (OER-Strategie 2022, S. 3)
Dabei hält es an seiner Strategie der gleichberechtigten Bedeutung kommerzieller Bildungsmaterialien und OER fest und will den Mehrwert von OER mit den Stärken kommerzieller Bildungsressourcen sowie innovativer Medienanbieter verbinden.
Zudem will das BMBF Begleitforschungsprojekte zur weiteren Vernetzung von OER-Akteur*innen fördern sowie Software-Projekte zur gezielten Entwicklung und Bereitstellung von OER unterstützen.
Konkret werden drei Handlungsziele genannt:
- Anreizsysteme zur Erstellung und Nutzung von OER zu schaffen, auszubauen sowie bestehende technische, pädagogische und organisatorische Rahmenbedingungen zu verbessern.
- Eine Kultur der Offenheit, der Kooperation und des Teilens sowie die dafür notwendige Veränderung der Einstellung der Lehrenden und Lernenden, zeitgemäße technische Lösungen, passfähige, breit genutzte Standards sowie geeignete Formate des Community-Managements zu stärken,
- Das Changemanagement in Bildungsinstitutionen insgesamt zu stärken, indem neben Strategieentwicklungsprozessen auch Kerntechnologien und offene Bildungspraktiken im Bereich von OER gefördert werden.
Zur Erreichung genannter Ziele werden sechs Handlungsfelder definiert:
- OER-Kompetenz pädagogischer Fachkräfte verankern und aufbauen
- Neue Kooperationen entwickeln: Von OER zu Open Educational Practices (OEP)
- Technische Grundlagen und Strukturen für OER und OEP etablieren
- Innovation und lernortübergreifende Bildung mit OER unterstützen
- OER mit nutzerzentrierter, anwendungsorientierter und vernetzender Forschung begleiten
- Umsetzung: Initiativen und Akteure digital unterstützter OER-Praxis zusammenführen
Die OER-Strategie des Bundes: Ausblick
Das BMBF wolle im nun folgenden Austausch mit den Akteur*innen auch weiterhin auf partizipative Prozesse setzen, so PSt Brandenburg. Im Rahmen der Veranstaltung äußerte sich PSt Brandenburg auch zum finanziellen Rahmen kommender Förderrichtlinien. Nach Aussage von PSt Brandenburg sind von der Bundesregierung bis 2025 (Ende der Legislatur) 16 Mio. € für die Umsetzung der OER-Strategie vorgesehen. Diese müsse zum Herbst noch der Bundestag beschließen, wo das Thema OER viel Wohlwollen erhalte.
2 Kommentare zu “Die OER-Strategie der Bundesregierung wurde veröffentlicht”
Ich finde viele interessante und erfreuliche Ansätze in der Strategie. Bei Schritt Null bin ich aber sehr irritiert: die Definition von OER zu Beginn ist alles andere als anschlussfähig bzw. umgekehrt: Die Definition schließt nicht an einen klaren Konsens an.
Stand der Dinge: OER wird, in Deutschland und global, inzwischen in einem breiten Konsens über die Definition der UNESCO interpretiert: „Open Educational Resources (OER) sind Bildungsmaterialien jeglicher Art und in jedem Medium, die unter einer offenen Lizenz stehen. Eine solche Lizenz ermöglicht den kostenlosen Zugang sowie die kostenlose Nutzung, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Dritte ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen.“ https://www.unesco.de/bildung/open-educational-resources
In der OER-Strategie des BMBF wird auf Seite 2 definiert: „OER sind Bildungsressourcen jeglicher Art, die meist als Materialien unter einer freien und offenen Lizenz, insbesondere einer CC-(Creative Commons)-Lizenz veröffentlicht werden.“ Hier wird kein Bezug auf die UNESCO- oder sonstige etablierte Definition Bezug genommen. (Stattdessen wird in einer Fußnote auf Creative Commons verwiesen, wo es aber nicht um OER geht.) Und die Verwendung des Wortes „meist“ öffnet nicht einen Türspalt, sondern ein Scheunentor für Beliebigkeit im Verständnis davon, was OER ist und was nicht. Der Text legt dazu auch gleich im nächsten Satz noch einmal nach: „Diese Lizenzen legen klare rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen für die Nutzung, Weiterverbreitung und ggf. Änderung von digitalen Materialien fest.“ Hier ist es das Wort „ggf.“, das deutlich macht, das in dieser Definition von OER die Möglichkeit zur Änderung kein verbindliches Element darstellt.
Hier handelt es sich nicht um eine Ungenauigkeit, sondern um den *Kern* von OER. Die freie Lizenz und die Möglichkeit zur Veränderung sind *konstitutiv* für das Wesen von OER. Darauf baut alles weitere auf – auch das, was in der (guten) Strategie beschrieben ist. Umso weniger kann ich mir erklären, warum die Definition nicht nur weich, sondern aus meiner Sicht schlicht falsch ist.
Ich bin spät dran, habe erst jetzt Zeit gefunden, mir die OER-Strategie durchzulesen. Ich habe an der Stelle selbst auch kurz gestutzt. Dann habe ich aber wohlwollend angenommen, dass sich das „meist“ nicht auf die Lizenzen bezog, sondern nur auf die Form der Materialien. Dinge wie Quelltext oder Infrastruktur sollten ggf. nicht ausgeschlossen werden. Auf Seite 3 gab’s dann ja auch die UNESCO-Fassung. Aber, ja, vielleicht habe ich heute auch eine Tasse Gutmütigkeit zu viel intus 🙂