Wer sich mit Urheberrecht oder Lizenzen beschäftigt, stößt immer wieder auf den Begriff der „Bearbeitung“. Dieser Text erklärt anhand typischer Fälle, was unter dem Begriff zu verstehen ist. Außerdem werden zustimmungsfreie Bearbeitungsmöglichkeiten vorgestellt, die das Urheberrecht selbst bietet.
Ein Beitrag von Georg Fischer
„Bearbeitung“ bei Creative Commons und im Urheberrechtsgesetz
Wer mit Creative-Commons-Lizenzen vertraut ist, ist dem Begriff der „Bearbeitung“ sicherlich schon begegnet. Zum Beispiel erlaubt die Lizenz CC BY-4.0 Nutzer*innen eine „Bearbeitung“ des betroffenen Werks: Nutzer*innen dürfen das Material remixen, verändern und darauf aufbauen“, sofern sie die weiteren Lizenzbedingungen beachten. Im Fall von CC BY-4.0 sind das Angabe geeigneter Urheber- und Lizenzinformationen sowie der Hinweis, ob eine Änderung am Werk vorgenommen wurde.
Die Bearbeitung findet sich auch beim ND-Lizenzmodul. „ND“ heißt hier „non-derivative“, oder ins Deutsche übertragen: „Keine Bearbeitung“. Das Kürzel ND stellt also klar, dass die lizenzgebende Person untersagt, bearbeitete Fassungen ihres Werkes zu veröffentlichen: „Wenn Sie das Material remixen, verändern oder darauf anderweitig direkt aufbauen, dürfen Sie die bearbeitete Fassung des Materials nicht verbreiten.“
Das deutsche Urheberrecht spricht etwa in Paragraf 3 von „Übersetzungen und andere[n] Bearbeitungen eines Werkes“. Und in Paragraf 23 wird erklärt: „Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen eines Werkes, insbesondere auch einer Melodie, dürfen nur mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden.“
Eine Bearbeitung anzufertigen, ist urheberrechtlich erst einmal unproblematisch. Für eine Veröffentlichung oder kommerzielle Verwertung muss die Zustimmung der Urheberin oder des Rechteinhabers eingeholt werden. Doch nicht immer ist es eindeutig, was im urheberrechtlichen Kontext unter einer Bearbeitung zu verstehen ist.
Typische Fälle und Beispiele für Bearbeitungen
Ein typischer Fall für eine Bearbeitung ist die Übertragung eines Werkes in eine andere Kunstgattung. Man könnte auch sagen: Der geistige Inhalt des Werks bleibt erhalten, aber die Form ändert sich. Dazu gehört beispielsweise die Umarbeitung eines Romans in ein Theaterstück, einen Film oder einen Comic.
Auch Übersetzungen sind Bearbeitungen im urheberrechtlichen Sinn, etwa wenn ein Journalist den Zeitungsartikel einer Kollegin vom Deutschen ins Englische übersetzt. Wird ein Hörspiel oder ein Podcast in eine schriftliche Fassung übertragen, spricht man ebenfalls von einer Bearbeitung.
Das Urheberrecht kann sich auch auf eigentümliche Figuren und Charaktere einer Geschichte erstrecken. Die Zustimmungspflicht bleibt also in vielen Fällen auch dann gegeben, wenn man die Protagonistin eines Romans unter gleichem Namen in einem eigenen Werk auftreten lässt.
Auch in der Musik gibt es verschiedene Formen der Bearbeitung. Ein typisches Beispiel ist, wenn ein Video mit einem urheberrechtlich geschützten Musikstück unterlegt werden soll. In der Werbebranche und im Filmgeschäft ist solch ein Vorgehen gang und gäbe. Man spricht hier auch von „Synchronisierung“ (oder kurz: „Synch“).
Die Wortwahl „Synchronisierung“ impliziert, dass das Musikstück mit dem Video eine neue Verbindung eingeht: Video- und Musikspur werden technisch miteinander „synchronisiert“ und somit auch ästhetisch verbunden. Solche Synchronisationen sind als Bearbeitungen zu verstehen und setzen damit das Einverständnis der Urheber*innen voraus.
Bearbeitungen sind wesentliche Veränderungen am Werk
Weitere Fälle von Bearbeitungen sind, wenn in das Werk selbst eingegriffen wird und es dadurch zu einer wesentlichen Veränderung kommt. Zum Beispiel handelt es sich um eine Bearbeitung, wenn zwei Musikstücke miteinander rekombiniert werden.
Solch eine musikalische Rekombination in der Popmusik nennt sich „Mash-Up“: Mash-Up-Künstler*innen verbinden beispielsweise die Gesangsstimme einer Schlagerschnulze mit dem Instrumental einer Rockhymne. Durch den Zusammenklang büßen beide Stücke ihre ursprünglichen Charaktere ein zugunsten des entstehenden Mash-Ups.
Nicht nur die Rekombination, auch die Variation eines Werks kann in einer Bearbeitung im Sinne des Urheberrechts münden. Die Musik bietet hierfür weitere Beispiele: etwa, wenn im Zuge von Sampling oder Remix ein kurzer Ausschnitt eines Stücks aus seinem ursprünglichen Kontext entnommen und in einen neuen gestellt wird.
Durch Montage-Verfahren kann es zu der Situation kommen, dass das Ausgangswerk in seinem Charakter wesentlich verändert wird und nicht mehr intakt bleibt. Auch die ausschnittsweise Veränderung von Fotografien oder anderen Bildwerken kann zu einer urheberrechtlichen Bearbeitung werden, etwa wenn der Hintergrund eines Bilds entfernt wird und der Vordergrund dadurch einen anderen Kontext erhält.
Ähnliches gilt für Eingriffe in Textwerke: Diese können bereits durch Einfügung oder Weglassung eines oder weniger Wörter, mitunter sogar einzelner Buchstaben, in ihrem Sinn wesentlich verändert sein.
Die urheberrechtliche Begrifflichkeit „Bearbeitung“ meint also, dass durch eine bestimmte Tätigkeit (etwa Montage, Mash-Up oder Übersetzung) die wesentlichen Züge eines Werkes verfremdet werden.
Ausnahmen von der Zustimmungspflicht
Findet eine Bearbeitung statt, ist für die Veröffentlichung oder weitere Verwertung in der Regel die Erlaubnis des Urhebers oder der Rechteinhaberin einzuholen: Bei einem wesentlich veränderten Werk kann nicht mehr vorausgesetzt sein, dass die Urheber*innen damit einverstanden sind. Diesem Schutzgedanken liegt die Annahme zugrunde, dass unerwünschte Bearbeitungen den Ruf der Urheberin des bearbeiteten Werks beschädigen können.
Das Ausgangswerk genießt keinen Urheberrechtsschutz
Das Einverständnis der Urheberin oder des Rechteinhabers setzt aber voraus, dass das Ausgangswerk überhaupt urheberrechtlich geschützt ist. Maßgeblich dafür ist die sogenannte „Schöpfungshöhe“.
Damit bezeichnet das Urheberrecht den Grad von Eigenständigkeit, den ein Werk erreichen muss, damit es überhaupt Urheberrechtsschutz genießt. Erst künstlerische Arbeiten mit einem gewissen Grad an Individualität persönlicher geistiger Schöpfung erreichen den Schutz des Urheberrechts und sind bei Bearbeitungen zustimmungspflichtig.
Die Grenze der Schöpfungshöhe ist in Deutschland relativ niedrig angesetzt: Die einprägsame Tonfolge des „Tagesschau“-Jingles etwa erfüllt bereits die Kriterien für urheberrechtlichen Schutz.
Bloße Geräusche oder einzelne Akkorde hingegen reichen nicht aus. Einzelne Wortaneinanderreihungen sind ebenfalls noch nicht geschützt, sofern sich darin keine Originalität oder künstlerische Leistung zeigt. Auch die reine Wiedergabe von allgemein zugänglichen Fakten erreicht noch keine Schöpfungshöhe. Geschützt ist zudem nur die Formulierung eines Textes, nicht aber die dahinterstehende Idee.
Bestand ein Urheberrechtsschutz an dem betreffenden Werk, ist dieser aber abgelaufen und das Werk damit in den Bereich der Gemeinfreiheit übergegangen, kann die Urheberin oder der Rechteinhaber auch keine Zustimmung zur Bearbeitung verlangen.
Ein Werk wird im Rahmen der geltenden Zitierregeln verwendet
Das Urheberrecht sieht neben der Gemeinfreiheit weitere erlaubnisfreie Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke vor. Diese sind in den sogenannten „Schranken“ geregelt. Eine dieser Schranken ist die „Zitatschranke“ aus Paragraf 51, teils auch als „Zitatrecht“ bekannt.
Folgendes gilt es unbedingt zu beachten: Rechtlich sauber zitiert man, wenn:
- das Zitat einen bestimmten Zweck erfüllt und nicht nur zur Ausschmückung dient,
- man den übernommenen Inhalt nicht verändert und ihn als Fremdübernahme mit genauer Quelle angibt,
- und das Zitat vom Umfang her in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Werk steht.
Weitere Informationen zum rechtlich einwandfreien Zitieren finden sich hier und hier.
Ein Werk wird im Rahmen der „Pastiche-Regelung“ verwendet
Seit dem Sommer 2021 gilt im Urheberrecht eine neue Regelung. Diese ist nach dem französischen Wort „Pastiche“ benannt, das im Zusammenhang von Parodien und Karikaturen zu verstehen ist. Die neue Regelung findet sich in § 51a des Urheberrechtsgesetzes, also direkt nach der Zitat-Regelung.
Zitat und Pastiche sind aber nicht identisch! Entscheidend für die Pastiche-Regelung ist, dass zu erkennen ist, dass eine Auseinandersetzung mit dem vorbestehenden Werk stattgefunden hat: Im Fall der Parodie ist das in der Regel Veräppelung; bei der Karikatur eine Überzeichnung; und beim Pastiche eine freundliche, wohlwollende Form der Anerkennung.
Eine weitere Besonderheit besteht in der Quellenangabe: Bei einem Pastiche ist vorausgesetzt, dass das Publikum die originale Referenz erkennt, etwa weil es eine allgemein bekannte Vorlage ist. Kann dies nicht zweifelsfrei vorausgesetzt werden, sollte man eine Quellenangabe machen. Wer sich auf die Pastiche-Regelung berufen möchte, sollte sich genau informieren. Ausführlichere Informationen finden sich in diesem Text.
Die Pastiche-Regelung ersetzt die sogenannte „Freie Benutzung“ (ehemals § 24 UrhG), die für die Aufhebung der Zustimmungspflicht einen ausreichend großen inneren Abstand zwischen Originalwerk und Bearbeitung vorsah.
Unwesentliches Beiwerk
Der Gedanke von der „wesentlichen“ Veränderung eines Werks hat im Urheberrecht eine Entsprechung: Nämlich die Regelung aus Paragraf 57 zum sogenannten „unwesentliche[n] Beiwerk“.
Hier heißt es: „Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.“
Das Urheberrecht unterscheidet hier also zwischen einem Hauptgegenstand und völlig nebensächlichen Beiwerken, die keinerlei Zusammenhang zu diesem haben und einfach ausgetauscht werden könnten, ohne dass dies einem durchschnittlichen Betrachter auffallen würde.
Ein typisches Beispiel ist die Fotografie eines Bildwerkes, das im Rahmen einer Ausstellung gezeigt wird. Ist auf der Fotografie neben dem Bildwerk als Hauptgegenstand auch etwas anderes zu sehen, zum Beispiel ein weiteres Bildwerk im Hintergrund, so kann dieses aus der Fotografie retuschiert werden.
Grundsätzlich gilt: Wenn das eigentliche Hauptwerk mit zufällig sichtbaren anderen Gegenständen im Hintergrund zu sehen ist, gelten diese als „unwesentliches Beiwerk“ und können zustimmungsfrei entfernt werden.
Creative Commons: Alternatives Lizenzmodell dank standardisierter Module
Eröffnet wurde dieser Text mit zwei Beispielen zum Thema Bearbeitung aus dem alternativen Lizenzmodell von Creative Commons: So sind Bearbeitungen hier explizit erlaubt (CC BY-4.0) beziehungsweise ausgeschlossen (CC BY-ND-4.0).
„Alternativ“ ist Creative Commons, weil es standardisierte Lizenzmodelle vorschlägt, etwa um eigene Inhalte ins Internet zu stellen und sie für die Allgemeinheit nachnutzbar zu machen. Je nach Enge oder Weite der gewählten Module werden die CC-lizenzierten Werke dann auch für andere bearbeitbar.
Auch das Urheberrechtsgesetz bietet Möglichkeiten, wie fremde Inhalte zustimmungsfrei genutzt werden können. Die CC-Module bieten aber den großen Vorteil, dass sie standardisiert sind und es entsprechende Communities mit großen, explizit zur Bearbeitung freigegebenen Materialsammlungen gibt. Das hat gerade für den Bildungsbereich oder für künstlerische Zwecke Vorzüge.
Nicht in allen Situationen lässt sich allerdings auf CC-lizenziertes Material zurückgreifen: Zum Beispiel kann beim wissenschaftlichen Arbeiten der zitierte Text nicht ohne Weiteres ausgetauscht werden. Dies macht ein grundlegendes Verständnis der urheberrechtlichen Regeln, zum Beispiel in puncto Bearbeitung oder Nutzungsfreiheiten, unerlässlich.
Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation von iRights.info, dem Deutschen Bildungsserver und OERinfo.
Weitere Beiträge aus dieser Reihe:
- Was die CC0-Freigabe bedeutet und welche Möglichkeiten sie eröffnet
- Was das NC-Modul im Bildungskontext bedeutet
- Pixabay und Co.
- Infografiken für OER
- Autor*innenverträge für OER
- Screenshots richtig nutzen
- Was ist zu beachten beim Einholen einer Erlaubnis für das freie Lizenzieren durch Lehrer*innen?
- Bearbeitungen frei lizenzierter Inhalte richtig kennzeichnen
5 Kommentare zu “Die „Bearbeitung“ im Urheberrecht: Fälle in denen sie ohne Zustimmung der Urheber*innen geht”
ein sehr hilfreicher Text, vielen Dank!
Eine Nachfrage: Ist die Definition der Grenzen von „Bearbeitung“ identisch mit der Frage, ab wann bei einer Veränderung eines CC-lizenzierten Werks eine „Bearbeitung“ gekennzeichnet sein muss?
Ich denke grundsätzlich schon, zumindest für das deutsche Urheberrecht. Bei den CC-FAQs gibt es auch einen Abschnitt zu dieser Frage, vielleicht hilft das weiter: https://de.creativecommons.net/faqs/#h.5kbrlje97h6g
Ich finde es ja etwas unglücklich in der Gesetzgebung, französische Begriffe zu verwenden, ohne eine Legaldefinition anzubieten…