von Henry Steinhau
Obwohl es Creative Commons-Lizenzen erlauben, Inhalte zu teilen und öffentlich zugänglich zu machen, ist Facebook dafür nur bedingt geeignet. Das liegt an den Nutzungsbedingungen, die der Weiterverbreitung CC-lizenzierter Werke mitunter im Weg stehen.
Für Autor*innen und Produzent*innen von Open Educational Resources (OER, offene Bildungsmaterialien) sind soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram oder LinkedIn und Dienste wie YouTube oder Vimeo eine Möglichkeit, um auf ihre Werke und Materialien aufmerksam zu machen und sie ins Gespräch zu bringen.
Die weit verbreiteten Netzwerke ermöglichen es, Interessierte direkt anzusprechen, etwa dort organisierte Lernende oder kommunizierende Bildungs-Communities. Zudem locken die großen Reichweiten, über die man neue attraktive Zielgruppen mit seinen freien Inhalten erreichen kann – weit über befreundete oder beruflich assoziierte Kreise hinaus.
Doch eignen sich solche Plattformen auch dafür, freie Bildungsmedien dort zu verbreiten, also hochzuladen und zum Bearbeiten oder Herunterladen abzulegen?
Die für OER üblichen Creative Commons-Lizenzen erlauben es ja ausdrücklich, Lehr- und Lernmaterialien weiter zu verbreiten, öffentlich zugänglich zu machen und mit anderen zu teilen. Warum also dafür nicht auf soziale Netzwerke und jene Plattformen gehen, die für nutzergenerierte Inhalte ebenso prädestiniert wie populär sind?
Was die Nutzungsbedingungen von Facebook für OER bedeuten
An dieser Stelle soll nicht diskutiert werden, ob sich Facebook und Co. aus strategischen Überlegungen heraus als Plattformen für das Bereitstellen und die Verbreitung freier Bildungsmedien eignen.
Vielmehr geht es um einen Blick auf den rechtlichen Rahmen. Bekanntlich formulieren Plattformen wie Facebook und Twitter umfangreiche und breit gefächerte Nutzungsbedingungen, denen die Nutzer*innen für die Eröffnung eines Kontos zustimmen müssen. Doch was besagen sie hinsichtlich frei lizenzierter Inhalte?
Dazu gilt es, sich die entsprechenden Klauseln in den „Nutzungsbedingungen“ anzusehen, die mitunter in den AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) oder unter dem Menüpunkt „Rechtliches“, „Lizenzen“ oder – auf englisch – unter „Terms of Service“ zu finden sind.
Facebook und Creative Commons-Lizenzen: Die Nutzungsbedingungen im Wortlaut
Exemplarisch behandeln wir hierfür die Nutzungsbedingungen von Facebook. Vorweg lässt sich sagen, dass die entsprechenden Nutzungsbedingungen bei Instagram und WhatsApp, beides Tochterunternehmen von Facebook, nahezu gleich lauten. Auch bei Twitter und anderen Plattformen sind die angesprochenen Lizenzregeln ähnlich.
Somit lassen sich wesentliche Erkenntnisse aus der nachfolgenden Gegenüberstellung der Facebook-Nutzungsbedingungen mit den Creative Commons-Lizenzen vom Prinzip her auf die genannten und andere Netzwerke übertragen – gleichwohl müsste für genauere Bewertungen ein gründlicher Blick in dortige Nutzungsbedingungen erfolgen, weil es hierbei auf die konkreten Formulierungen und einzelne Klauseln ankommt.
Und eine weitere Vorbemerkung: Facebook, WhatsApp, Instagram und andere Plattformen betonen ausdrücklich, dass die Nutzer*innen, die ihren Content hochladen, ihnen einfache Nutzungsrechte für bestimmte Zwecke einräumen, doch darüber hinaus könnten die Nutzer*innen über ihre Inhalte weiterhin selbst bestimmen und diese anderweitig verwerten.
Wörtlich heißt es bei Facebook dazu:
„Die von dir auf Facebook und den anderen von dir genutzten Facebook-Produkten erstellten und geteilten Inhalte gehören dir, und nichts in diesen Nutzungsbedingungen nimmt dir die dir hinsichtlich deiner eigenen Inhalte zustehenden Rechte. Du kannst deine Inhalte nach Belieben mit anderen teilen, wo immer du das möchtest. Damit wir unsere Dienste bereitstellen können, ist es jedoch erforderlich, dass du uns einige rechtliche Genehmigungen zur Verwendung solcher Inhalte erteilst.“
Diese explizite Zusicherung lässt sich auch im Zusammenhang sehen mit oft geäußerten Befürchtungen, Facebook und andere Plattformen würden sich mehr oder weniger sämtliche Nutzungsrechte an bei ihnen gehosteten Werken einverleiben, um diese dann selbst ungestört kommerziell und gewinnbringend verwerten zu können. Dem scheint offenkundig nicht so zu sein.
Vielmehr fordern sie die Nutzungsrechte ein, um die nutzergenerierten Inhalte innerhalb ihres Netzwerks quasi uneingeschränkt, vielfältig und weltweit verfügbar zu halten, damit Nutzer*innen diese teilen, empfehlen, bewerten und weiter reichen können. Die Klausel lautet bei Facebook so:
Insbesondere wenn du Inhalte, die durch geistige Eigentumsrechte geschützt sind (wie Fotos oder Videos), auf oder in Verbindung mit unseren Produkten teilst, postest oder hochlädst, gewährst du uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare und weltweite Lizenz, deine Inhalte (gemäß deinen Privatsphäre- und App- Einstellungen) zu hosten, zu verwenden, zu verbreiten, zu modifizieren, auszuführen, zu kopieren, öffentlich vorzuführen oder anzuzeigen, zu übersetzen und abgeleitete Werke davon zu erstellen. Diese Lizenz dient nur dem Zweck, dir unsere Produkte bereitzustellen. Das bedeutet beispielsweise, dass du uns, wenn du ein Foto auf Facebook teilst, die Berechtigung gibst, es zu speichern, zu kopieren und mit anderen zu teilen (wiederum im Einklang mit deinen Einstellungen); dies können u. a. Dienstleister sein, die unseren Dienst oder andere von dir genutzte Facebook-Produkte unterstützen.
Wie sich Nachnutzungen regeln lassen
Lassen sich im Licht dieser Klauseln auch CC-lizenzierte Werke bei Facebook hochladen und dort zugänglich machen?
Generell sind sowohl die Creative Commons-Lizenzen als auch die Lizenz, die man Facebook gewährt, nicht-exklusiv. Beide können demnach gleichzeitig existieren. Oder anders gesagt: Urheber*innen können für ihre Werke gleichzeitig in beide Richtungen Nutzungsrechte gewähren.
Allerdings kommt es bezüglich Facebook darauf an, ob man selbst der Urheber oder die Urheberin des Werkes ist und damit auch Lizenzgeber*in der Creative Commons-Lizenz.
Sind hingegen im betreffenden Werk teilweise oder vollständig CC-lizenzierte Inhalte von anderen enthalten, wäre es erforderlich, dass diese Urheber*innen damit einverstanden sind, dass Facebook jene Nutzungsrechte erhält, die in den Nutzungsbedingungen formuliert sind (siehe oben).
Unterlizenzierung ist nicht gestattet
Denn Creative Commons-Lizenzen ermöglichen den Nachnutzenden zwar das Verbreiten, öffentlich zugänglich Machen und Bearbeiten der freigegebenen Werke – doch sie gestatten keine Unterlizenzierung.
Anders gesagt: Als Nachnutzende*r eines CC-lizenzierten Inhalts erhält man nicht das Recht, anderweitige Nutzungsrechte oder Unter-Lizenzen zu vergeben. Dies können nur die Urheber*innen dieser Inhalte.
Bezogen auf Facebook hieße das, man könnte als Nachnutzende*r die von der Plattform vorgegebenen Nutzungsbedingungen nicht erfüllen (siehe „Wie vertragen sich Facebook und Creative Commons-Lizenzen?“ von 2015). Rechtsanwalt Till Jaeger wies schon vor einiger Zeit darauf hin, dass Facebook in seinen Nutzungsbedingungen genau solch ein unterlizenzierbares Recht einfordert – man als Nachnutzer*in von übernommenen CC- lizenzierten Inhalten jedoch nicht dazu berechtigt ist, die speziellen Nutzungsrechte an Facebook zu übertragen.
Das Gleiche gilt für Werke oder Materialien, an denen mehrere Urheber*innen beteiligt waren, die alle einer freien CC-Lizenzierung zustimmten. Sie alle müssten auch einer Veröffentlichung auf Facebook sowie dessen Nutzungsbedingungen zustimmen.
Formal gesehen ließen sich diese Zustimmungen annehmen, wenn alle beteiligten Urheber*innen über ein Konto bei Facebook verfügen. Denn für die Kontoeinrichtung müssen sie ja den Nutzungsbedingungen zustimmen und die verlangten Unterlizenzierungsrechte einräumen.
Zustimmungen einholen könnte aufwändig werden
Ob alle Beteiligten auch Facebook-Konten haben, ließe sich innerhalb einer Lerngruppe oder eines Produzententeams womöglich noch vergleichsweise leicht feststellen. Übernimmt man jedoch CC-lizenzierte Werke von unbekannten Dritten, müsste man diese jeweils kontaktieren, was mitunter große Umstände und Aufwände mit sich bringen könnte.
Das klingt also nach einer ernsthaften Hürde, erst recht für solche Materialien, an denen nicht nur mehrere Urheber*innen mitwirkten, sondern die zudem von Dritten und Vierten und Fünften bearbeitet wurden, was bei offenen Bildungsressourcen (OER) ja gewollt ist und durchaus der Fall sein kann.
Anders dürfte es sich bei Werken verhalten, die mittels der CC0-Lizenz praktisch bedingungslos freigegeben sind. Auch hier stellte Till Jaeger schon vor Jahren fest, dass dies zwar in den Facebook-Nutzungsbedingungen nicht explizit geregelt ist, man diese jedoch entsprechend auslegen könnte, sodass der Nutzung von CC0-Inhalten nichts entgegenstehe.
Eindeutig scheint hingegen zu sein, dass Inhalte, die mit der CC-Bedingung „keine kommerzielle Nutzung“ („Non Commercial“, kurz: NC) lizenziert sind, auf Facebook nicht zulässig sind. Dem steht der Verkauf von Werbung als kommerzieller Geschäftszweck von Facebook entgegen.
Ergänzung [28.5.2020]: Rechtlich anders zu bewerten ist, wenn auf CC-lizenzierte Inhalte und OER zwar eingegangen wird, diese aber im Facebook-Post „eingebettet“ sind, weil ein integrierter Link eine Vorschau erzeugt. Das freigegebene Material wird in diesem Fall nicht bei Facebook sondern auf einem anderen Server bereitgestellt („gehostet“).
Lizenzhinweise: Bei Facebook selbständig nachtragen
Wenn sich Urheber*innen dazu entscheiden beziehungsweise darüber einig sind, frei lizenzierte Inhalte auf Facebook oder andere Netzwerk-Plattformen hochzuladen – und die dortigen Nutzungsbedingungen anerkennen – stellt sich die Frage, wie sie die von Creative Commons geforderten Lizenzhinweise sinnvoll integrieren oder anbringen sollen.
Denn beim „Liken“, vor allem aber beim Teilen von Inhalten – oder allgemeiner gesagt: beim Weiterleiten der Inhalte innerhalb des Netzwerks und der Netzwerk- Öffentlichkeiten – muss gewährleistet sein, dass die nach der Lizenz erforderlichen Lizenzinformationen auch bei demjenigen abrufbar sind, mit dem der Inhalt geteilt wird.
Während beispielsweise Youtube für Videos und Flickr für Fotos beim Prozess des Hochladens die Option bieten, eine CC-Lizenz zu wählen beziehungsweise zu verknüpfen (etwa durch Menüauswahl oder separatem Textfeld), damit sie für alle Nachnutzenden sichtbar ist, offeriert Facebook nichts dergleichen.
Das heißt, der Lizenzhinweis muss bei Facebook als Text in den Post geschrieben und sollte dort auch mit Links versehen werden. Wo und wie man das macht, schreiben die CC-Lizenzen nicht vor, aber es muss auf vernünftige oder plausible Weise erfolgen, damit der Lizenzhinweis leicht auffindbar ist.
Bei Nachnutzungen Lizenzhinweise eindeutig kennzeichnen
Ob der Lizenzhinweis gleich am Anfang des Posts oder an dessen Ende steht, ist unerheblich, aber er sollte als maschinell lesbarer Text formatiert sein. Das heißt, man sollte besser kein Wasserzeichen in einem Foto und auch keinen Screenshot eines Lizenzhinweises verwenden oder den Text anderweitig zu einem Bild beziehungsweise einer Bitmap wandeln.
Es empfiehlt sich, den Lizenzhinweistext vom eigentlichen Text des Posts optisch etwas abzusetzen und gut zu kennzeichnen, beispielsweise durch die Formulierung „Lizenz:“ oder „Lizenzhinweis:“. Den CC-Bedingungen entsprechend muss der Hinweis vollständig und korrekt sein, also Autor*in, Quelle (Ursprungsseite) und die Lizenz selbst enthalten.
Zudem sollte deutlich gemacht werden, dass dieser Lizenzhinweis bei jeder nachfolgenden Nutzung auf jeden Fall mitzunehmen und dort ebenso ordentlich zu platzieren ist.
Denn ohne einen Lizenzhinweis ist die Veröffentlichung von CC-Inhalten eine Lizenzverletzung (außer bei CC0). Diese wiederum führt zu einer Urheberrechtsverletzung, die Betroffene sanktionieren können, beispielsweise mittels Abmahnkosten oder Unterlassungsansprüchen.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Wenn Urheber*innen ihre eigenen CC- lizenzierten Werke/Materialien auf Facebook veröffentlichen, können Dritte diese von dort herunterladen und außerhalb von Facebook veröffentlichen, sofern sie dabei die CC-Lizenzbedingungen einhalten und den Lizenzhinweis vollständig übernehmen.
Inhalte, die von Dritten unter CC freigegeben wurden, darf man jedoch nicht ohne Weiteres eigenständig auf Facebook hochladen – hierfür wären die Zustimmungen der Lizenzgeber*innen beziehungsweise Urheber*innen des Materials erforderlich beziehungsweise nachzuweisen.
Das kann bei Nachnutzenden zu Aufwänden führen und für Unsicherheiten sorgen, die wiederum einer unkomplizierten Weiterverbreitung und Nachnutzung der OER im Weg stünden.
Es ist gewiss eine Frage, inwieweit Facebook ein Interesse daran haben könnte, den genannten möglichen Lizenzverstößen bezüglich CC-lizenzierter Inhalte auf seiner Plattform nachzugehen.
Und eine andere Frage ist, ob es zu – womöglich berechtigten – Abmahnungen seitens CC-Lizenzgeber*innen kommt, die einer Verbreitung ihres Materials via Facebook nicht zustimmten.
Oft wird urheberrechtliche „Feinkost“ nicht so heiß gegessen, wie sie in solchen Klauseln gekocht wird.
Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation von iRights.info, dem Deutschen Bildungsserver und OERinfo.