Ein Meinungsbeitrag von jOERan Muuß-Merholz
Sehr geehrte Damen und Herren von OERinfo! Warum verwenden Sie nicht das offizielle Logo für OER auf ihrer Homepage? Es sollte doch hilfreich sein, wenn man alle OER-Websites daran erkennen könnte.
Eine solche E-Mail erreichte kürzlich die Blog-Redaktion von OERinfo. Wir nehmen die Anfrage zum Anlass für eine öffentliche Antwort und eröffnen damit nebenbei eine neue Reihe „jOERans Meinungsbeiträge“.*
Das OER Global Logo
Tatsächlich hat die UNESCO das OER Global Logo (in Fachkreisen „das Blaue“ genannt) ins Leben gerufen, um damit ein gemeinsames Verständnis von OER auszudrücken: „Using the new OER logo is a way of creating a common identity for the global OER community of practitioners, projects and researchers.“ schreibt die UNESCO auf ihrer Website. Dort kann das Logo in verschiedenen Dateiformaten und Sprachen heruntergeladen werden.
Die Idee ist sinnvoll. Aber bei der Durchführung wird es schwierig.
Die Vorgaben
Die UNESCO bzw. der kreative Schöpfer des Logos Jonathas Mello haben für die Grafik eine freie Lizenz (die CC BY 3.0) gewählt – scheinbar eine konsequente Abbildung des OER-Gedankens. Es gibt sogar eine PDF-Datei, die ausführlich die Weiternutzung erläutert, unter anderem (auf Seite 5) die entsprechenden Lizenzhinweise.
Denn selbst bei der CC BY-Lizenz müssen ja einige Vorgaben berücksichtigt werden. Dazu gehört insbesondere die Attribution, also die Namensnennung des Urhebers – und zwar so, wie der Urheber es vorgegeben hat. Das sieht in der PDF-Datei so aus: 2012 Jonathas Mello www.jonathasmello.com.
In der gewählten Version 3.0 muss außerdem der Name des Werkes (OER Global Logo) genannt werden. Darüber hinaus die weiteren Elemente, die wir hier auf OERinfo mit der TULLU-Regel erklärt haben. In gedruckten Publikationen gehört dazu sogar die ausgeschrieben Linkadresse für die Lizenz.
Nimmt man all das zusammen, so wird schnell sichtbar, dass der Lizenzhinweis nennenswert Aufwand und vor allem Platz verbraucht. Wenn das Logo eher klein abgebildet ist (was wohl eine realistische Annahme ist), so nimmt der Lizenzhinweis bald noch einmal so viel Raum ein wie das Logo selbst. (Ganz zu schweigen vom Platz, den man bräuchte, wenn man die Grafik noch bearbeiten würde …)
Was lernt man daraus?
Lektion 1: Weniger Auflagen = einfachere Verbreitung!
Dieser Aufwand macht die Arbeit mit dem OER Global Logo aufwändig und unelegant. Ich denke, dass dies dazu beiträgt, dass es seltener genutzt wird. Ja, die CC BY-Lizenz ist bereits diejenige mit sehr wenigen Auflagen. Aber wie das Beispiel zeigt, so stellen auch diese Auflagen Hürden vor die Weiternutzung. Man muss sich generell bei OER entscheiden: Je stärker die Einschränkungen der Lizenzen sind, desto weniger wird sich das Material auch verbreiten. Gerade bei einem übergreifenden Logo, das an möglichst vielen Stellen eingesetzt wird, ist CC BY eigentlich schon keine Option mehr. Hier muss das Logo unter CC0 – also ohne Vorgaben – weiter verwendet werden können.
Lektion 2: Klare Angaben machen!
Das Beispiel vom OER Global Logo zeigt zusätzlich, wie wichtig klare Angaben von Seiten des Lizenzgebers sind. Die Namensnennung „2012 Jonathas Mello www.jonathasmello.com“ findet sich im PDF mit der „Anleitung“ zum Logo. Auf der vorgeschalteten Website ist im Lizenzhinweis die Jahreszahl nicht angegeben und der Link nicht ausgeschrieben, sondern „nur“ auf den Namen gesetzt. Und in Wikimedia Commons, wo der Urheber selbst sein Werk hochgeladen hat, wird als Urheber der Wikimedia-Benutzername „Jonathasmello“ mit Link auf seine Wikimedia-User-Seite angegeben.
Rechtlich bedeutet das meiner Auffassung nach übrigens, dass sich der Nachnutzer eine der verschiedenen Varianten aussuchen kann. Aber ich denke, dass die unterschiedlichen Varianten nicht bei der Verbreitung helfen, sondern für Verwirrung sorgen.
PS: Die „Fuzziness“ von OER
Es gibt auch einen inhaltlichen Grund, der dagegen spricht, über möglichst viele Projekte hinweg ein einheitliches Logo zu nutzen: Das Logo suggeriert ein gemeinsames Grundverständnis, das unter Umständen gar nicht vorhanden ist.
Dominic Orr hat es im Interview mit OERinfo auf den Punkt gebracht:
„Dafür sollten wir die „fuzziness“ des Begriffs OER anerkennen. Was genau OER sind, ist häufig unklar. Daher sollten die unterschiedlichen Typen von OER in Diskussionen, bei Unterstützungsmaßnahmen und in Evaluationen auch benannt werden. Das geschieht noch zu selten.“
Es kursieren in Deutschland und weltweit durchaus unterschiedliche Interpretationen und Schwerpunkte, was die Bedeutung von „Open Educational Resources“ angeht. Das ist nicht schlimm. Aber ein gemeinsames Logo würde ein einheitliches Verständnis suggerieren, dass de facto nicht vorhanden ist.
Alternative OER-Logos und ihre Lizenzierung
Diese Überlegungen sollen nun niemanden davon abhalten, das OER Global Logo zu nutzen. Es mag unpraktisch sein – aber das mag jede*r für sich entscheiden. Es umreisst ein sehr allgemeines Verständnis von OER und wird von vielen verschiedenen OER-Projekten genutzt.
OER-Logos gibt es viele verschiedene – und das ist auch gut so. Die meisten von ihnen beanspruchen gar keine Auflagen (siehe unten) und machen die Nachnutzung dadurch sehr einfach. Viele von ihnen signalisieren tatsächlich ein spezifisches Verständnis, einige Beispiele folgen.
*Diskussion erwünscht!
Mit diesem Artikel eröffnet die OERinfo-Blogredaktion eine neue Reihe „jOERans Meinungsbeiträge“ mit Kommentaren, die die Diskussion rund um Open Educational Resources stimulieren sollen. Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr, wenn Sie Ihre Einschätzungen, Erfahrungen und Fragen unten als Kommentar senden. In der Reihe „jOERans Meinungsbeiträge“ geht es – wie der Name schon sagt – um Namensbeiträge von Jöran Muuß-Merholz, die nicht zwingend die Position von OERinfo widergeben.)
4 Kommentare zu “Warum ich das „offizielle“ OER-Logo nicht verwende (und was man daraus lernen kann)”
Also müsste mal einer ein Logo mit CC0 veröffentlichen.
Ja, CC0 wäre hilfreich – und ist ja schon da! 2 der 4 Logos, die unten im Artikel stehen, entsprechen dem.
Das hier ist tatsächlich mein Favorit und lizenziert unter CC-Zero – ich nehme an, es ist nach diesem Beitrag entstanden.
OER-Logo in den Wikimedia Commons (basierend auf der Arbeit von leomaria)