Im Vorfeld der letzten Konsultation der UNESCO-Mitgliedsstaaten, die am 27. und 28. Mai 2019 in Paris stattfand, wurde von den Vereinigten Staaten noch eine modifizierte OER-Definition eingebracht. Wie die Konsultation in Paris im Hinblick auf die neue Definition entschieden hat, das erläutert Gašper Hrastelj, stellvertretender Generalsekretär der Slovenian National Commission for UNESCO, im Interview für OERinfo.
Keine neue OER-Definition im Empfehlungsentwurf zur Recommendation
OERinfo: Im Vorwege der Konsultation in Paris zum Text der OER Recommendation gab es einige Unruhe, denn es gab da noch den Entwurf einer neuen OER-Definition, der von den USA und der EU eingebracht worden war. Was besagt die vorgeschlagene alternative OER-Definition?
Gašper Hrastelj: Richtig. Die USA haben im Dezember 2018, also zu der Zeit, als sie noch Mitgliedstaat der UNESCO waren, eine modifizierte OER-Definition in den Empfehlungsentwurf eingebracht, der von der EU-Kommission informell befürwortet wurde. Die Definition spricht u.a. nicht mehr vom bedeutungsvollen Prinzip des „no-cost access“ beim Zugriff auf OER. Desweiteren wurde darin bestimmt, dass OER Materialien sind, die nicht unter Urheberrechtsschutz stünden.
OERinfo: Wurde diese neue OER-Definition oder wurden Teile davon in den finalen Entwurf übernommen?
Gašper Hrastelj: Diese Neudefinition fand keinerlei Unterstützung bei den anderen Mitgliedstaaten der UNESCO. Bei einer kurzfristig einberufenen Sitzung der EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission knapp vor Beginn der Konsultationen kam es zu der Einigung, die Neudefinition nicht in den Empfehlungsentwurf einzubringen. Die EU-Kommission hat sich dieser Entscheidung nicht in den Weg gestellt (die Kommission hatte bei den Konsultationen sowieso nur Beobachterstatus) und die USA waren bei dem Treffen in Paris überhaupt nicht vertreten.
OERinfo: Wie verlief die Konsultation in Paris, wurde noch viel und hart gerungen über den Text oder wurde schließlich für den finalen Entwurf im Wesentlichen der Text angenommen, der in Paris vorgelegt worden war?
Gašper Hrastelj: Nachdem die Problematik hinsichtlich der OER-Definition bereits im Vorfeld bereinigt werden konnte, ergaben sich keine nennenswerten Schwierigkeiten in Hinsicht auf den Rest des Textentwurfs. Die Experten haben den vorliegenden Entwurf inhaltlich ausgebessert und der finale Entwurf wurde dann einstimmig beschlossen.
Gute Chancen, dass die Recommendation angenommen wird
OERinfo: Wie stehen die Chancen, das die Empfehlung im November bei der Generalversammlung der UNESCO auch so angenommen wird, wie sie nun vorliegt?
Gašper Hrastelj: Ich bin optimistisch und hoffe, dass es während der Generalkonferenz im November zu keiner weiteren Verhandlung über den Textentwurf kommen wird. Ich hoffe auch, dass die UNESCO den finalen Textentwurf bald zur Verfügung stellen wird, damit wir ihn der OER Community vorstellen können.
OERinfo: Magst du eine persönliche Einschätzung dazu geben, was die voraussichtliche Verabschiedung der Recommendation für OER bedeuten wird?
Gašper Hrastelj: Bereits die unverbindliche Abschlusserklärung des 1. World OER Congress in Paris 2012 hatte weitreichende Folgen. Auch der auf dem 2. World OER Congress beschlossene OER-Aktionsplan von Ljubljana ist bis heute schon zu einem bedeutenden Referenzdokument geworden. Ich meine, dass die in Aussicht stehende Empfehlung als deutliche Steigerung für die Bedeutung von OER gewertet werden kann. Die Empfehlung wird die internationale Kooperation im Bereich OER auf alle Fälle stärken und das Thema OER wird international weiter stark an Bedeutung gewinnen. Selbstverständlich hängt der Erfolg der neuen Empfehlung vor allem von der Umsetzungsbereitschaft der Mitgliedstaaten ab. Ich bin aber äußerst zuversichtlich, dass die Empfehlung zu breiterer Verankerung von OER in der Bildungspolitik und -praxis führen wird.
Das Interview führte Gabi Fahrenkrog für OERinfo.