Dieser Text versteht sich als Ergänzung zum Kapitel 4.6 „Qualifizierungsmodelle“ von Sandra Schön und Jöran Muuß-Merholz in der Ist-Analyse zu freien Bildungsmaterialien (OER) (2015) aus dem Projekt Mapping OER.
Fünf Gedanken von Jöran Muuß-Merholz (2015)
Drei mögliche thematische Anbindungen
Inhaltlich werden drei unterschiedliche Ansätze zur Verortung des Themas OER gesehen. Es kann zum einen als Unterthema von Fortbildungen zum Thema Urheberrecht bearbeitet werden, gerade im Kontext der Digitalisierung von Bildungsmaterialien. Das scheint derzeit gängige Praxis, vor allem bei den formellen Fortbildungsangeboten. Dabei besteht die Gefahr, dass das Thema OER auf die technisch-rechtlichen Aspekte reduziert wird. Das Potential von OER, das auf der Ebene von Zusammenarbeit und Austausch verortet wird, droht hier zu kurz zu kommen. Wünschenswert erscheint eine flächendeckende Verankerung als Querschnittsthema. Inhaltlich ist ein solches „OER-Mainstreaming“ sinnvoll, da Bildungsmaterialien in den meisten fachdidaktischen und in vielen erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen eine Rolle spielen dürften. Realistischerweise ist das Thema jedoch 2015 noch weit vom Mainstream entfernt, so dass diese Option eher eine langfristige Perspektive darstellt. Sinnvoll und realistisch erscheint eine Anbindung an Fragen von Pädagogik und Schulentwicklung, hier insbesondere zur Zusammenarbeit von Lehrenden. Die Digitalisierung auf technischer Ebene und Binnendifferenzierung von Unterricht sowie Individualisierung des Lernens auf pädagogischer Ebene machen die grundlegende Beschäftigung mit Lehr-Lern-Materialien nötig. Hier lässt sich das Thema OER so einordnen, dass es nicht als Selbstzweck, sondern zur Erreichung von Zielen auf den Ebenen Pädagogik und Schulentwicklung dient.
Schwerpunkt auf semi- und non-formale Formen
Die Etablierung des Themas in der Ausbildung erscheint zwar wünschenswert, aber derzeit weder aussichtsreich noch schnell wirksam. Insofern sollte der Schwerpunkt auf die Förderung von Fortbildungsangeboten gelegt werden. Blickt man auf die verschiedenen Akteure, so gehören die Landesbildstellen / Medienzentren zu den ersten Anlaufstellen, wenn man auf den thematischen Zusammenhang blickt. Allerdings droht hier die oben erwähnte Reduktion des Themas auf technische und rechtliche Aspekte. Schaut man auf die verschiedenen Formen des Lernens über OER, so scheint bei einem solchen zeitlich aktuellen und „digitalen“ Thema sinnvoll, einen besonderen Schwerpunkt auf semi- und non-formale Formen der Weiterbildung zu legen. Dafür liegen bereits, wie oben gezeigt, erste Erfahrungen mit verschiedenen Formen vor. Ergänzend dazu werden zwei weitere Ansätze für erstrebenswert eingeschätzt: Derzeit fehlt ein Online-Selbstlernkurs „OER in der Schule“ mit der Zielgruppe Lehrkräfte, der Einführungsvideos und weitere Materialien mit Übungen kombiniert. Damit wäre eine erste Anlaufstelle für die Praxis gegeben, die interessierten Lehrkräften bisher fehlt, wenn sie sich ad-hoc fortbilden wollen. Hilfreich wäre zudem ein zentrales Unterstützungsangebot, an das sich Lehrkräfte bei Fragen und Problemen wenden können. Vorbild könnte die „OER-Fallambulanz“ sein, die von der Virtuellen PH in Österreich betrieben wird. Hier können Lehrende Fragen zu Urheberrecht und OER stellen, die von einem Juristen des österreichischen BMBF beantwortet wurden.
Lernen über und mit OER
Für das Thema OER ist es sinnvoll, beim Lernen eine Kongruenz von Inhalt und Form zu erzielen, also Lernen über und mit OER. Vor diesem Hintergrund sollte bei allen Fortbildungsangeboten darauf Wert gelegt werden, dass sie bzw. die dazugehörigen Materialien als OER lizenziert werden. Ein perspektivisches Ziel könnte sein, dass in jeder Schule zumindest eine Lehrkraft vor Ort ist, die zum Thema OER fortgebildet ist. Die Funktion eines „OER-Beauftragten“ kann möglicherweise übergeordneten Aufgaben wie „Medienverantwortliche“, wie es sie in den Bundesländern schon in unterschiedlichen Formen gibt, zugeordnet werden. Diese Person kann nicht nur schulinterne Fortbildungen anbieten, sondern auch Supportangebote wie z.B. eine „Sprechstunde“ für Kolleg/innen.
Fokus auf Multiplikatoren
Die Verbreitung des Themas OER in der Schulpraxis steckt in Deutschland 2015 noch in den Kinderschuhen. Insofern empfiehlt es sich, zunächst auf Angebote für mögliche Multiplikatoren zu setzen. Da das junge Thema OER sich rasch weiterentwickelt und keine Blaupausen existieren, sind besonders solche Angebote produktiv, die das Lernen miteinander und den Austausch untereinander unterstützen. Für Multiplikatoren können das beispielsweise die genannten Konferenzen, BarCamps und Onlinekurse zu OER sein, bei denen nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Multiplikatoren für Lehrkräfte, z.B. Vertreter aus Hochschule, Lehrerfortbildung, Stiftungen, Politik, Journalismus, Start-Ups etc. teilnehmen.
Von Österreich lernen
Auf der nächsten Stufe könnte Österreich als Vorbild dienen, wo das Bildungsministerium mehrere Netzwerke von Schulen unterstützt, die mit digitalen Medien arbeiten und dazu mit- und voneinander lernen. Beispielhaft sei das eLC2.0 – eLearning Cluster Project genannt, bei dem in jeder der beteiligten Schulen 2014/15 eine Lehr-Lern-Einheit als OER entwickelt, erprobt und evaluiert wurde. Die Materialien werden online veröffentlicht (hier oder hier). Unter www.virtuelle-ph.at/oer bietet die Virtuelle Pädagogische Hochschule aus Österreich ein Angebot, das auch in Deutschland verfügbar ist. Unter dem Schwerpunkt „Freie Bildungsinhalte (OER) und Urheberrecht“ ist unter anderem „Der Schummelzettel von Lehrenden für Lehrende zum Thema Freie Bildungsinhalte nutzen – Urheberrechtsprobleme vermeiden“ veröffentlicht worden, der 2013 entstand und 2015 aktualisiert wurde.
Ein Kommentar zu “Vorschläge für zukünftige Modelle und Methoden der OER-Qualifizierung”