Übernahme / Reuse
Der Artikel erschien erstmals bei netzpolitik.org. Wir danken an dieser Stelle dem Autoren für die freundliche Genehmigung zur Übernahme. Angaben zur Lizenz finden sich am Ende des Artikels.
von Leonhard Dobusch
Gut ein Jahr nach der letzten Erhebung zu Stand und Perspektiven von Open Educational Resources (OER) in Deutschland zeigt eine Folgeuntersuchung, dass es mittlerweile in sämtlichen Bundesländern politische Initiativen in diesem Bereich gibt. Gleichzeitig mangelt es jedoch noch an einer Öffnung von Lernmittelfinanzierung für Anbieter offen lizenzierter Inhalte.
Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich gemeinsam mit Maximilian Heimstädt und Jennifer Hill für die Technologiestiftung Berlin eine Studie zu Open Education in Deutschland – mit Fokus auf die Situation in Berlin – erstellt. Teil der Studie war ein Bundeländervergleich hinsichtlich öffentlicher Aktivitäten im Bereich freier Lehr- und Lernunterlagen (Open Educational Resources, OER). Bereits in der damaligen Studie wurde ein steigendes Interesse am Thema OER sichtbar. Ganz allgemein weist die OER-Debatte in Deutschland seit 2012 eine beträchtliche Dynamik auf, weshalb die Technologiestiftung Berlin im Rahmen einer Folgeerhebung die Entwicklung im letzten Jahr dokumentieren wollte.
In der Studie „Open Educational Resources in Deutschland: Entwicklungsstand und Perspektiven“ (PDF) haben wir wieder OER-Aktivitäten deutscher Bundeländer entlang derselben Kriterien untersucht. Und das Ergebnis der Erhebung belegt, dass der Eindruck wachsender OER-Dynamik in Deutschland durchaus zutrifft. Untenstehende Abbildung zeigt, dass in den meisten abgefragten OER-Kategorien 2015 mehr Bundesländer Aktivitäten aufweisen als im Vorjahr. Vor allem in den Bereichen Lehrerfortbildung (+12), allgemeine OER-Informationsangebote (+8) und dem Einsatz offener Lizenzen bei Lehrmaterialangeboten (von 0 auf 7) engagieren sich heute viel mehr Bundesländer als noch im Jahr zuvor.
Ein Vergleich der Bundesländer zeigt jedoch, dass die Unterschiede zwischen den Bundesländern immer noch groß sind. Den größten Sprung nach vorne hat im vergangenen Jahr Baden-Württemberg gemacht, das Berlin als OER-Spitzenreiter abgelöst hat. Aber auch Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt finden sich neu im Spitzenfeld. Am Ende des Rankings finden sich Schleswig-Holstein, Bremen und Sachsen. Letzteres ist das einzige Bundesland, in dem sich seit 2014 überhaupt nichts getan hat.
Details über Veränderungen in den einzelnen Bundesländern liefert die folgende Kreuztabelle, grün hinterlegte Kästchen signalisieren neue Aktivitäten im Jahr 2015.
Auf Basis der neuerlichen Befragung und der Ergebnisse der Vorstudie haben wir uns am Ende den weiteren Perspektiven für OER in Deutschland gewidmet und auch eine grobe Einschätzung diesbezüglicher Wahrscheinlichkeiten gewagt. Wir skizzieren demnach drei mögliche, alternative Szenarien:
- Sternschnuppe OER: Noch ist unklar, ob das stark gestiegene Interesse politischer und politiknaher Akteure an OER und entsprechende Aktivita?ten wie vermehrte Informationsangebote und Integration in Lehrkra?fteausbildung letztlich auch Eingang in den Alltag der breiten Masse der Lehrenden und Lernenden finden wird. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass schleppende Verbreitung von OER in der Fla?che auch zu einem raschen Ru?ckgang des politischen Interesses an OER fu?hren ko?nnte. (Eintrittswahrscheinlichkeit: gering)
- OER als Nischenphänomen: Bereits bestehende oder geplante OER-Initiativen und -Plattformen könnten vom gestiegenen Interesse und ho?heren Informationsstand profitieren und sich in ihren jeweiligen Nischen etablieren. Einem fla?chendeckenden Einsatz von OER in der Breite der deutschen Bildungslandschaft stehen jedoch auch in diesem Szenario Versa?umnisse bei der Reform von Lehr- und Lernmittelfinanzierung entgegen. (Eintrittswahrscheinlichkeit: hoch)
- Flächendeckend OER: In diesem Szenario gelingt es den politischen Akteuren, vor allem auf Landesebene, den etablierten Pfad der Lernmittelfinanzierung zu verlassen und vorhandene o?ffentliche Mittel versta?rkt fu?r die Erstellung und Aktualisierung von OER einzusetzen. Der dafu?r notwendige Dialog mit Bildungsmedienverlagen sowie neue Finanzierungsmodalita?ten sind jedoch bislang nur in Ausnahmefa?llen auszumachen.(Eintrittswahrscheinlichkeit: kurzfristig gering, langfristig mittel)
Fazit
Wie der Vergleich der Ergebnisse aus 2015 mit jenen aus 2013/2014 belegt, hat sich in dem recht kurzen Zeitraum eine Menge getan. Mittlerweile gibt es keine weißen Flecken mehr auf der deutschen OER-Landkarte. Gleichzeitig beschra?nken sich die meisten Aktivita?ten auf verha?ltnisma?ßig unaufwendige Bereiche wie Information, Weiterbildung und Fo?rderung von Studien. Schwierigere Projekte wie eine O?ffnung von bestehenden Finanzierungsstrukturen fu?r die Erstellung und Aktualisierung von OER sind hingegen noch nicht zu beobachten. In Deutschland ist also in Sachen OER in den letzten zwei Jahren viel passiert, bis OER allerdings im Mainstream der Bildungslandschaft angekommen sein wird, du?rfte es noch einige weitere Jahre dauern.
Ein Kommentar zu “Studie zu Open Educational Resources in Deutschland: Entwicklungsstand und Perspektiven”