Am 13. und 14. Mai 2025 fand die zweite Veranstaltung der Konferenzreihe „OER im Blick“ des Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ), organisiert vom DLR Projektträger, statt. Die Konferenzreihe begleitet die Umsetzung der OER-Strategie. Die Veranstaltung brachte Akteur*innen aus Bildungspolitik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Praxis zusammen, um über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Perspektiven rund um Open Educational Resources (OER) zu diskutieren. Unter dem Motto „Back To Basics“ stand die Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen, die OER und OEP erfüllen können, im Vordergrund. In diesem Beitrag blicken wir auf zentrale Impulse, Diskussionen und Ergebnisse zurück – und fragen, welchen Beitrag OER zur Bildungsinnovation in der digitalen Transformation leisten können.

Ein Beitrag von Angela Karnoll und Johannes Appel
Die Keynote der OER im Blick 2025
Die Keynote der Veranstaltung „OER in Zeiten der Disruption: Why Ideas Do Not Float Freely“ hielt Prof. Dr. Daniel Otto von der Europäischen Hochschule für Innovation und Perspektive. Die Grundgedanken und Impulse dahinter prägten die Diskussionen der darauffolgenden 24 Stunden: Wer treibt Offenheit tatsächlich voran? Unter welchen Bedingungen können Offenheit und Verbreitung von OER bestehen? Auch das Topthema Künstliche Intelligenz griff er auf und stellte tabellarisch OER und KI hinsichtlich unterschiedlicher Dimensionen und Konzepte gegenüber. Während OER der Kerngedanke von ‚Wissen und Bildung von allen für alle‘ zugrunde liegt, sind KI-Tools – bei all ihren sonstigen Potenzialen – stets von den jeweiligen Betreibern oder Anbietern abhängig. Dies schränkt die Spielräume für Offenheit und Mitgestaltung durch Einzelne deutlich ein.
Einblicke in die Workshops
„Demokratiebildung: Demokratie gestalten durch Partizipation – digital und offen“
Über beide Tage verteilt konnten die Teilnehmenden an zwei der insgesamt 16 Workshops teilnehmen. Am Dienstag boten wir, Johannes Appel und Angela Karnoll, einen Workshop zum Thema „Demokratiebildung: Demokratie gestalten durch Partizipation – digital und offen“ an. Die Basis bildeten unsere Beiträge aus dem Blog, die wir im Rahmen der Aktionswoche des Deutschen Bildungsservers im März erarbeitet hatten. Nach einer kurzen Einführung mit Anschauung verschiedener Materialien und Konzepte diskutierten die 12 Teilnehmenden die größten Potenziale von OER und OEP für eine an demokratischen Werten orientierte politische Bildung. Die Vielfalt der Antworten zeigt, wie sehr der unterschiedliche Background der Teilnehmenden die Gespräche bereichert hat. Diese Potenziale hat die Gruppe zusammengetragen:
- Nachnutzbarkeit des Materials (Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit)
- Kritische Auseinandersetzung durch die Allgemeinheit/Community/Gruppe
- Rollenveränderung von Lernenden und Lehrenden (partizipative, kollaborative Prozesse)
- Ergebnisoffenheit im Bildungsprozess / Möglichkeitsräume
- Mögliche Initiierung von Kulturwandel
- Möglichkeit zur Professionalisierung
Aufgrund der lebendigen Diskussion schafften wir es zeitlich nicht mehr, die einzelnen Punkte zu einer TOP 5 anzuordnen. Auch die FrageWie kann man diese Potenziale in der konkreten Bildungsarbeit zur Entfaltung bringen, bzw. wie kann man sie umsetzen?“ haben wir nicht zu Ende diskutiert. Einige Ideen dazu wurden jedoch festgehalten:
- Rahmen und Bewusstsein für potenzielle Risiken schaffen („wer erstellt das Material?“, „welche Werte werden vermittelt?“) –> kuratierte Materialien (ggf. peer-reviewed). Die freie Verfügbarkeit und der niedrigschwellige Zugang bergen die Gefahr, demokratische Prozesse zu unterlaufen.
- Lebensweltbezug und Prozessorientierung ist wesentlich für Transfer
- Selbstwirksamkeit als Faktor für Weiterentwicklung
- Aufbau demokratischer Strukturen (z. B. Leben einer demokratischen Schulkultur)
- Es braucht eine systematische Professionalisierung der Lehrkräfte für die kritisch-reflexive Nutzung von OER im Unterricht und die Gestaltung von entsprechenden Lernumgebungen für Schüler*innen
Diese Ideen können u.a. als Basis für einen zweiten Teil des Workshops dienen.
„Wie könnte ein OER-Kodex für Bildungseinrichtungen aussehen?“
Am Mittwoch besuchte Angela den Workshop „Wie könnte ein OER-Kodex für Bildungseinrichtungen aussehen?“ der geförderten Projekte Co-WOERK und Ombrella. Dort haben die Teilnehmenden erste Aspekte zur Entwicklung eines solchen Kodex erarbeitet. Für den Aufbau des Workshops zogen die Veranstalterinnen das Konzept einer Community-Beratschlagung von Nele Hirsch heran. Dies wurde bereits auf dem OERcamp 2024 erprobt. Die Kleingruppen haben folgende Fragen besprochen:

- Wie können Hochschulen durch fortlaufende Kommunikation die Akzeptanz und Nutzung von OER langfristig fördern?
- Wie können neue Technologien wie KI die Erstellung, Adaption und Distribution von OER effektiv unterstützen?
- Welche Lizenztypen sollten Hochschulen für welche OER-Produkte empfehlen und warum?
- Wie sollte die Infrastruktur einer Hochschule aufgestellt sein, um Lehrenden die Bereitstellung von OER zu ermöglichen, wenn kein Landesrepositorium vorhanden ist?
Die Ergebnisse können sich so zusammenfassen lassen:
- Hochschulen sollten eine Kultur des offenen Teilens und Freigebens als Normalität etablieren. Der OER-Kontext, zu dem sich Hochschulen dann bekennen, könnte das Teilen und Freigeben als „Leitkultur“ beinhalten. Wichtig ist auch, OER als Teil der wissenschaftlichen Praxis zu verstehen und neue Kolleg*innen aktiv in diese Kultur einzuarbeiten.
- KI kann als unterstützendes „Teammitglied“ bei der Content-Erstellung helfen, sollte aber kritisch hinterfragt werden, ob sie eher individuelle statt offene Produktionen fördert. Zudem bieten dezentrale Plattformen und Community-Feedback wertvolle Unterstützung beim Teilen, Versionieren und Verbreiten von OER.
- Hochschulen sollten offene Lizenzen wie CC-0, CC-BY oder CC-BY-SA empfehlen und ein klares Commitment zu Offenheit formulieren, ergänzt durch hochschulspezifische Beratung. Selbst gemeinfreie oder KI-generierte Werke sollten stets als OER gekennzeichnet werden, um Transparenz über die Nachnutzungsmöglichkeiten zu gewährleisten.
- Es braucht eine verpflichtende, interoperable Infrastruktur, die alle OER zentral sammelt und öffentlich auffindbar macht, idealerweise unterstützt durch Kodex-Selbstverpflichtungen. Damit wird sichergestellt, dass Materialien auch nach Projektende nachhaltig verfügbar bleiben und für Drittmittelgeber nachvollziehbar sind.
Zu einem fertigen OER-Kodex sind wir nicht gekommen. Das war aber auch nicht die Absicht dahinter. Vielmehr dienen die Ergebnisse und Ideen als Anregung für einen Folge-Workshop auf einer anderen Veranstaltung.
„Gemeinsam wachsen: Best Practices zur Pflege und Weiterentwicklung von OER-Communities und -Vereinen“/ „Ergebnisse einer Community-Beratschlagung zu OER im Kontext generativer KI“
Johannes besuchte einen Doppel-Workshop, in dem zum einen unter dem Thema „Gemeinsam wachsen: Best Practices zur Pflege und Weiterentwicklung von OER-Communities und -Vereinen“ Möglichkeiten zur Sicherung der Nachhaltigkeit von OER-Community-Angeboten diskutiert wurden. Dabei ging es u. a. um Finanzierungsfragen und Ansätze zur Beteiligung der Communities an Unterstützungsstrukturen. Einig waren sich die Teilnehmenden darin, dass es für die Verbreitung und Förderung von OER nicht zuträglich ist, wenn Unterstützungsstrukturen und Anlaufstellen sich regelmäßig ändern, weil dies die OER-Akteur*innen und -OER-Interessierte aus der Praxis verwirrt.
Zum anderen wurde unter dem Thema „Ergebnisse einer Community-Beratschlagung zu OER im Kontext generativer KI“ über die Konzeption, die Umsetzung und die Ausblicke rund um die entsprechende Initiative im Rahmen des OERcamps 2024 in Essen geredet. Mehrfach betonten die Teilnehmenden die hohe Qualität und die große Breite der erarbeiteten Ergebnisse der KI-Community-Beratschlagung. Anschließend daran wurde die mögliche Übertragbarkeit des Erarbeitungsprozesses auf andere Themen oder Anlässe im Rahmen von der Arbeit mit OER-Communities diskutiert.
Das Miteinander
Neben den vielfältigen Programmpunkten kam auch der Austausch, besonders zwischen den geförderten Projekten unter der OER-Strategie, nicht zu kurz. Er ist ein zentraler Pfeiler der Statuskonferenz. Vor unserem Workshop hielten wir z.B. ein erstes Gespräch mit den „Raumnachbarn“ vom Projekt „Digitalisierungsmanagement für berufsbildende Schulen (DiMaBBS)“. Wir sind schon gespannt, die Menschen hinter den „neu“ geförderten Projekten in Zukunft näher kennenzulernen. Auch bei der Schatzsuche durch die Imaginata kamen alte und neue Bekannte zusammen, um in kreativer Atmosphäre kleine Aufgaben und Fragen zu bearbeiten. Der offene Ausklang am Abend wurde ebenfalls für viele intensive Gespräche genutzt, sodass einige das Gelände erst nach der Dämmerung verließen.
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