OER – Potenziale für die Lehre

Für das eigene Seminar oder die eigene Vorlesung Schaubilder oder Arbeitsblätter verwenden, die von anderen Lehrenden erstellt wurden, diese noch anpassen und gegebenenfalls mit dem eigenen Foliensatz weiterveröffentlichen – dies sind Möglichkeiten, die Hochschullehrenden durch OER zuteil werden und langfristig eine Arbeitserleichterung bedeuten können. Doch nicht nur deshalb lohnt sich der Blick darauf, was Lehren mit OER eigentlich bedeutet.

Wenn offene Bildungsmaterialien in der Lehre eingesetzt werden oder die Inhalte von Lehrveranstaltungen als OER veröffentlicht werden, kann dies auch das Lehren selbst verändern. Führen also OER zu einer offenen Lehre? Sicher nicht zwangsläufig. Doch sie sind ein Baustein, um die Potenziale der Digitalisierung zeitgemäß nutzen zu können. Im Folgenden soll beleuchtet werden, was „offen“ im Kontext der Lehre bedeuten könnte. Informationen zum Mehrwert von OER finden Sie außerdem noch hier.

Offene Pädagogik?

Um einen Begriff von Offenheit in der Lehre zu entwickeln, lohnt sich ein internationaler Blick. Die neuseeländische Hochschuldidaktikerin Bronwyn HEGARTY (2015) schlägt ein Modell offener Pädagogik („Open Pedagogy“) vor, das eine Charakterisierung ebensolcher Szenarien erleichtern soll. OER und die damit einhergehenden Handlungsmöglichkeiten werden dabei als essentielle Komponente betrachtet (vgl. Hegarty 2015, 3). In ihrem Artikel werden acht Attribute offener Pädagogik postuliert, wobei im Fazit die trennscharfe Abgrenzung dieser Attribute als „fast unmöglich“ (almost impossible) bezeichnet wird, da sie untereinander starke Verknüpfungen aufweisen. Die acht Attribute sind in folgender Übersicht in übersetzter Form aufgelistet, können im Detail aber auch hier nachgelesen werden.


Eine Übersicht zu einem ähnlichen Gedankengang hat Matthias Andrasch im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts OERlabs erstellt, das sich ebenfalls mit den mediendidaktischen Implikationen von OER beschäftigt:

Matthias Andrasch (www.oerlabs.de), Lizenz: CC BY-SA 4.0 – gerne weiterverwenden/selbst benutzen/remixen! 14.10.2017 Gastvortrag im Berufsfeldpraktika-Präsenztermin (Mobile Learning) des ZFL Köln; Link zu den Folien: https://goo.gl/uHFWMw

David WILEY, Open Content Pionier und Begründer der 5R-Freiheiten für Offenheit stellte bereits 2013 die Frage, was Offene Pädagogik sei („What is Open Pedagogy“, WILEY 2013) und wie sie dazu beitragen könne, die Qualität von Bildung radikal zu verbessern. OER auf dieselbe Weise einzusetzen wie kommerzielle Textbücher sei wie mit einem Flugzeug über eine Straße zu fahren – die ihnen innewohnenden Potenziale würden schlicht nicht genutzt. Für WILEY fallen unter „Open Pedagogy“ alle Ansätze, die ohne die durch die offenen Lizenzen gewährten Rechte unmöglich wären.

Er führt aus, dass der Einsatz von OER in der Lehre dazu beitragen kann, Lernen bedeutungsvoller zu machen, indem bspw. Studierende als Projektaufgabe die Lernmaterialien für die Studierenden des folgenden Semesters erstellen. Dank des Einsatzes offener Lizenzen könnte wiederum jeweils auf die Arbeiten des vorangegangenen Semesters aufgebaut werden. Eine klare Alternative zu den oft im Hochschulbereich vorherrschenden Prüfungsleistungen, die auf bloße Reproduktion von Wissensinhalten abzielen und von WILEY treffend als „disposable assignments“ ( = Einweg-Prüfungen) kritisiert werden. OER nicht als Selbstzweck, sondern als zielgerichtetes Instrument, um Lehre konkret zu verbessern, das ist die zentrale Message hinter WILEYS Ausführungen. Zum Artikel geht es hier.

Dazu passt auch ein Tweet von ihm aus dem Jahr 2014, der noch einmal eine klare Schärfung des Begriffs der Openness einfordert:


Auf europäischer Ebene existieren ebenfalls Bestrebungen, das Thema OER über die bloße Material- und Lizenzierungsfrage hinauszudenken. EHLERS (2011) bezeichnet als notwendigen nächsten Schritt die Betrachtung sogenannter Open Educational Practices (OEP). OEP steht als Sammelbegriff für alle Aktivitäten rund um die Erstellung und den pädagogisch sinnvollen Einsatz von OER im Kontext innovativer Bildungsangebote. Der Begriff OEP ist bei weitem nicht so prominent wie der Begriff OER, was u.a. auch durch seine schwere Abgrenzbarkeit bedingt ist.

Verfasst bspw. eine Hochschule ein Strategiepapier, in dem die Lehrenden explizit dazu ermuntert werden, OER zu produzieren und stellt dann noch den Support für die Veröffentlichung der Materialien bereit, würde man von einer Open Educational Practice sprechen. Ebenso ist es eine OEP, wenn die Lehrenden im Semesterverlauf mit ihren Studierenden OER erstellen und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ein Beispiel für eine explizite OER-Policy findet man z.B. an der University of Edinburgh.

Handlungspotenziale mit OER

Die Vision hinter OER liegt darin, eine stärker vernetzte Kultur des Lehrens und Lernens zu schaffen, Lernende stärker in die Produktion von Material einzubinden und Anstöße für innovative Lehr- und Lernszenarien zu schaffen. Auf diese Weise können OER dazu beitragen, dass Bildungsangebote entstehen, die individuellen Lernvoraussetzungen innerhalb von heterogenen Gruppen gerecht werden.

Die Kennzeichnung von Materialien mit einer offenen Lizenz und das Hochladen ebendieser auf offenen Plattformen im Netz stellt allerdings nur eine Rahmenbedingung für eine Veränderung der Lehre dar. Die weitaus größere Herausforderung ist es, die offenen Materialien zur Verbesserung der Lehre effektiv zu nutzen. Denkanstöße gibt es im Netz viele und die offenen Lizenzen ermöglichen, dass aus Materialien immer wieder neues Wissen entsteht. Dabei kann auch für Lehrende, die OER veröffentlichen, durchaus ein Anreiz darin bestehen, die Folgeprodukte der eigenen Arbeit zu betrachten. Dies ist einerseits als Feedback wie auch als Inspiration zu verstehen.

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: David Eckhoff, Universität Duisburg-Essen für OERinfo – Informationsstelle OER.

Literatur

EHLERS, U.-D. (2011). Extending the territory: From open educational resources to open educational practices. Journal of Open, Flexible and Distance Learning, 15(2), [1–10]. Online verfügbar unter: http://www.jofdl.nz/index.php/JOFDL/article/view/64 Letzter Zugriff: 14.03.2018

HEGARTY, Bronwyn (2015). Attributes of Open Pedagogy: A Model for Using Open Educational Resources. Educational Technology, 55(4), 3-13. Online verfügbar unter: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/ca/Ed_Tech_Hegarty_2015_article_attributes_of_open_pedagogy.pdf Letzter Zugriff: 14.03.2018

WILEY, David (2013): What is Open Pedagogy? Veröffentlicht am 21.10.2013. Online verfügbar unter: https://opencontent.org/blog/archives/2975. Letzter Zugriff: 04.03.2018

 

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: David Eckhoff, Universität Duisburg-Essen für OERinfo – Informationsstelle OER.










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