Ein Buch über OER, das selbst OER ist. Interview mit dem Autor Jöran Muuß-Merholz über „Was ist OER?“

Foto: Agentur J&K – Jöran und Konsorten unter der Lizenz CC BY 4.0

Wie es dazu kam, ein Buch über OER als OER zu veröffentlichen, welche Besonderheiten für den Autor damit verbunden waren und dass es neben Anerkennung auch Kritik für diesen Weg gibt, darüber spricht Jöran Muuß-Merholz im Interview mit OERinfo.

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Der Interviewpartner Jöran Muuß-Merholz ist gleichzeitig verantwortlich für den Blog, in dem das Interview erscheint.

OERinfo: Wie kam es dazu, dass der Verlag der Idee zustimmte, das Buch „Freie Unterrichtsmaterialien finden, rechtssicher einsetzen, selbst machen und teilen“ als OER zu veröffentlichen?
Jöran Muuß-Merholz: Die Geschichte ist weniger spannend, als man denken könnte. Der Verlag fragte, ob ich ein Buch über OER machen wollte. Ich sagte: „Ja, aber nur wenn wir es konsequent als OER machen.“ Der Verlag war einverstanden. Ich kann natürlich nicht für den Verlag sprechen, aber ich denke, dass es auch ein Experiment war, um Erfahrungen mit OER zu sammeln. Ich halte es für ein mutiges Experiment, das Anerkennung verdient.

OERinfo: Gab es dabei besondere Details dabei zu beachten, war es anders, als bei konventionellen Veröffentlichungen?
Jöran Muuß-Merholz: Grundsätzlich nicht, konkret dann aber doch. Zunächst mal hat man einige zusätzliche Möglichkeiten, weil man ja viel Reuse betreiben kann, wenn im Themenfeld schon OER existiert. Und OER über OER gibt es ja schon. Ich habe also von verschiedensten Stellen einfach Material übernehmen können, teilweise ganze Textabschnitte und natürlich Abbildungen. Etwas komplizierter wird es beim Geschäftsmodell.

OERinfo: Was bedeutet das konkret?
Jöran Muuß-Merholz: Das Buch setzt zu 100% auf das traditionelle Geschäftsmodell. Der Verlag muss viele Bücher verkaufen, auch der Autor bekommt sein Honorar „ganz normal“ pro verkauftem Buch. Da ist es zum Beispiel eine Gradwanderung, wie man die beiden Aussagen „Hier gibt es ein Buch zu kaufen!“ und „Hier gibt es alles kostenlos zum Download!“ ausbalanciert.

OERinfo: Guckt man bei gedruckten Büchern genauer auf die Lizenzen?
Jöran Muuß-Merholz: Ich ja, vor allem bei Print. Das war auch bei vorherigen Publikationen so. Ich zögere zum Beispiel, wenn ich ein Material von einem Urheber verwende, den ich nicht kenne und über den ich nichts herausfinden kann. Ich suche quasi eine vertrauensbildende Maßnahme, bevor ich etwas vervielfältige, was ich bei einem gedruckten Buch ja denkbar schlecht „zurücknehmen“ kann. Ich habe deswegen bei einigen übernommenen Quellen noch einmal nachgefragt.

Jöran Muuß-Merholz. Foto von Hannah Birr, CC BY 4.0
Jöran Muuß-Merholz. Foto von Hannah Birr, CC BY 4.0
Jöran Muuß-Merholz ist Diplom-Pädagoge, Inhaber der Agentur Jöran und Konsorten und Autor des Buches „Freie Unterrichtsmaterialien finden, rechtssicher einsetzen, selbst machen und teilen”, erschienen 2018 bei Beltz, ISBN: 3407630611

OERinfo: Gibt es ein Beispiel?
Jöran Muuß-Merholz: Mein Lieblingsbeispiel ist die Übernahme eines Interviews: „Till Jaeger, vertragen sich Facebook und Creative-Commons-Lizenzen?“ Das wurde von irights.info unter einer CC BY-ND Lizenz veröffentlicht, die also die Bearbeitung verbietet. Meine Interpretation der ND-Auflage ist: Entscheidend ist, ob das Wesen, die Aussage des Inhalts verändert wird. Und das wird es meines Erachtens nach nicht, wenn ich das Layout nur leicht verändere, ein unwesentliches Bild weglasse und die Medienform vom Web in ein Buch wechsle. Ich habe aber in diesem Falle sicherheitshalber noch Rücksprache mit den freundlichen Kollegen von irights.info gehalten.

OERinfo: Gibt es auch negative Beispiele? Sachen, die nicht funktioniert haben?
Jöran Muuß-Merholz: Eine Sache aus dem Produktionsprozess: Mir war sehr wichtig, dass wir das komplette Manuskript auch als eine editierbare Datei in einem offenen Format bereitstellen. Ich habe mir das sogar im Autorenvertrag zusichern lassen. Das war auch kein Problem, solange ich in meiner bevorzugten Software (Google Docs) schreiben konnte. Aber irgendwann muss man das Format dann verlassen, weil die Produktionsabläufe in einem Verlag meist erst eine Word-Datei, dann eine Indesign-Datei verlangen. Ab dann muss man jede Änderung immer an zwei Stellen einpflegen. Klingt einfach, ist aber nervig und fehleranfällig.

OERinfo: Wie sind die bisherigen Reaktionen auf die Veröffentlichung des Buches? Gab es auch kritische Stimmen?
Jöran Muuß-Merholz: Es gibt sehr viele sehr gute Rückmeldungen aus der Filterblase und aus deren Nähe. Am meisten freut mich das Lob von Lehrer*innen, dass das Buch praxisnah sei. Denn ich bin ja selbst gar kein Lehrer. Zu Beginn gab es – zu Recht – kritische Rückmeldungen, weil ausgerechnet die Hintergrund-Grafik des Buchcovers von der freien Lizenz ausgenommen war. Das war im Produktionsprozess beim Verlag „passiert“. Aber auch da hat Verlag sich sehr flexibel gezeigt: Für die digitale Variante wurde das Cover nachträglich geändert. Außerdem gab es eine für mich etwas bizarre Kritik, das Buch sei „ein Schlag ins Gesicht für freies Bildungsmaterial“ und „reiner Kommerz“. Ich vermute, dass der Kritiker und ich unterschiedliche Definitionen von „freies Bildungsmaterial“ haben.

OERinfo: Gibt es schon erste Zahlen zum Verkauf und zu den Downloads? Kauft wirklich niemand mehr das Buch, wenn es auch kostenlos digital verfügbar ist?
Jöran Muuß-Merholz: Abrechnungen bei Verlagen gibt es in der Regel nur pro Quartal. Für genaue Abrechnungen ist es zu früh. Ich wäre auch vorsichtig, von diesem Beispiel aus zu stark zu verallgemeinern. Ein Buch über OER als OER ist schon ein Spezialfall, der nicht mit anderen Büchern als OER vergleichbar sein dürfte.

OERinfo: Vielen Dank für das Gespräch!

Creative Commons LizenzvertragDieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Gabi Fahrenkrog für OERinfo – Informationsstelle OER. und Jöran Muuß-Merholz für Joeran.de.

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